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Bericht vom 21.12.2006

Stadtkantorei Stade singt Bachs Weihnachtsoratorium

© Jutta de Vries

St. Wilhadi zu Stade, 20. Dezember 2006

 

Zyniker behaupten, es hinge ihnen Ende Dezember zum Halse heraus und es sei abgeleiert bis zum Gehtnichtmehr, und überhaupt brauche das Publikum nicht alle Jahre wieder ausgerechnet dieses eine Werk wie vom Discounter, wo es doch weiß Gott genug Weihnachtsliteratur gebe.

Der wahre Fan jedoch hört Bachs Weihnachtsoratorium auch im Sommer und auch sonst zu jeder Zeit, die ihn aus dem Alltag in himmlisch-festliche Sphären entführen soll. Denn kaum jemals ist es einem Komponisten so wie Bach gelungen, Wort und Musik in derart symbiotischer Weise zu verschmelzen.

Aber gerade zur Weihnachtszeit, da ist das großartige Werk auch in Stade mit seiner eindrucksvollen Kirchenmusiktradition immer wieder ein Muß, und immer wieder ist es Garant für bis auf den letzten Platz besetzte Gotteshäuser, wie jetzt in St. Wilhadi. Hier hat der Zyniker keinen Raum, vor allem dann nicht, wenn auf so hohem Niveau musiziert wird.

 

Die Stadtkantorei unter Kirchenmusikdirektor Hauke Ramm brachte die Kantaten 1-3 und hatten sich die Mitarbeit des Hamburger Barockorchesters gesichert, das diesmal besonders gut disponiert war und vor allem mit den Bläsern Staat machen konnte, die ja gerade im WO von Bach mit besonders dankbaren Partien und Soli ausgestattet werden. Die schwierigen schönen Barockinstrumente mit den wenigen Klappen wurden musikantisch und meisterlich gespielt. Das gilt gleichermaßen für die klangwarmen Holzbläser wie für das Blech, und ganz besonders für die hohe D-Trompete, die bei Bach immer eingesetzt wird, wenns besonders festlich und überirdisch wird, und so waren sie denn auch, die reinen Linien, die Triller und artistischen Verzierungen.

Ein himmlisches Vergnügen beflügelte auch die starke Stadtkantorei. Strahlend an homogenem Stimmklang, Volumen und Diktion, mit freudigem Ausdruck - auch in der Mimik - verkündete sie die frohe Botschaft fast losgelöst vom Notenblatt, frei gesungen. Hauke Ramms Gestaltungsideen wurden aufmerksam umgesetzt: in der federnden Metrik, den atmenden Bögen, den verhaltenen Tempi der kommentierenden Choräle lässt sich seine Handschrift wohl erkennen.

In dieses freudige Interpretationsgebäude fügte sich das ausgezeichnete Solistenquartett nahtlos ein. Der wunderbar extrovertiert agierende Tenor Henning Kaiser lebt das Wort als Evangelist und fasziniert in der gemeinen „Eil-Arie“ mit makellosen Koloraturen und vollendetem Klangbild, beispielhaft und selten so gehört. Yvi Jänicke gab die Alt-Partie mit warmer Emphase bei gleichzeitig glasklarer Durchhörbarkeit; wie erfreulich, dass da mal eine Sängerin noch Kraft und Lust zu da-capo-Verzierungen hat, die zu Bachs Zeiten ganz selbstverständlich waren. Besonders gespannt war man auf den international renommierten Bass Peter Kooij, der zum ersten Mal in Stade zu hören war. Leider schien er indisponiert, so dass das bekannt flexible, runde Klangbild vergröbert war und besonders in der Arie „Großer Herr“ die geschmeidige Leichtigkeit vermissen ließ. Sein anerkannt schmelzendes mezzavoce fand sich aber dann doch noch ein, so dass er im Duett „Herr, dein Mitleid“ die liebliche Stader Sopranistin Annegret Kleindopf sorgsam führen konnte.

Eine so gelungene, in sich stimmige und von musikalischem Geist getragene Aufführung bringt es mit sich, dass die Begeisterung im Publikum sich in explosivem Beifall Bahn bricht, noch bevor Pauken und Trompeten im Kirchenschiff ganz verhallt sind – da ist der Text einmal mehr ganz wörtlich genommen: „Auf denn! Wir stimmen mit euch ein, uns kann es, so wie euch, erfreun.“

Und jetzt kann Weihnachten kommen.

 

 

 

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