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Bericht vom 26.06.2006

Blickrichtung Heimat - Suche nach Orten, wo wir nicht sind

Installationen und Objekte aus dem Netzwerk Niedersachsen FiKuK in der Landesvertretung Niedersachsen bei der Europäischen Union in Brüssel vom 21.6. - 21.7.06

© Jutta de Vries



Barbara Lorenz Höfer

Ute Seifert

Anja Steckling

Drei Künstlerinnen aus Niedersachsen in der Vertretung des Landes Niedersachsen bei der Europäischen Union in Brüssel

Einführungstext zur Ausstellungseröffnung am 21. Juni 2006

©Jutta de Vries

 

 

Meine sehr geehrten Herren und Damen,

Am Anfang meiner Ausführungen soll ein Abschnitt aus einer Rede stehen, die Frau Dr. Christina Weiss, ehem. Staatsministerin beim Bundeskanzler und jetzt Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien,  vor kurzem gehalten hat. Ich bin der Auffassung, dass hier genau die Idee umrissen wird, die 2005 zur Konzeption dieses Ausstellungsprojektes geführt hat und dessen ersten Teil wir hier heute mit Freude und großem Dank an die Gastgeber eröffnen:

 

„Europa wächst zusammen. Mit der Aufnahme der 10 neuen Mitgliedstaaten in der Europäischen Union verbinden sich viele Hoffnungen, aber auch manche Unsicherheit und Unwissenheit gegenüber den neuen Partnern. Das kann nur durch einen vertieften Dialog und eine Vernetzung der Zivilgesellschaften beseitigt werden.

Kultur stellt das ideale Feld dar, um jenseits politischer Stimmungen Verbindungen zwischen unseren Nachbarländern zu schaffen. Gerade die Generation der jungen Europäer muss den Kulturraum unseres Kontinents als Fundament  unserer gemeinsamen Identität begreifen. Erst dann werden wir die kulturelle, geistige und menschliche Dimension der EU-Osterweiterung erfassen und nachhaltig stärken können. Denn Kultur ist nicht nur die älteste gemeinsame Wurzel, sondern gleichzeitig auch der zukunftsträchtigste Horizont für unser künftiges Zusammenleben als Europäer“.

 

Und das trifft die Fragestellungen unseres Projekts: Wie können geistige und menschliche Dimensionen in Europa  durch künstlerische Arbeit erfahrbar werden,  wie leben und arbeiten  Künstler in Europa, wie stellen sich Situationen von Kunstausübung und –rezeption dar?

Wie kann der eigene, heimatbezogene Blick mit dem fremden, ebenfalls eine Heimat reflektierende Blick im künstlerischen Austausch der Erfahrungen fruchtbar gemacht werden und künstlerische Umsetzung in einem erweiterten Sinne - möglicherweise (und das ist vielleicht noch Utopie) - in konzentrischen Ringen nach sich ziehen, so dass sich ein dichtes Netz von Künstlerkontakten in vielen europäischen Ländern knüpfen kann?

 

Solche und viele Fragen mehr haben wir als Vertreterinnen des Niedersächsischen Netzwerks Frauen in Kunst und Kultur bereits heute am Nachmittag in einem workshop zusammen mit einer hoch motivierten Teilnehmerrunde erörtert, u.a. mit unseren Initialpartnern aus der Stadt Karlshamn (Frau Marjut Petersson) und von der Academy of Fine Arts in Poznan (Herr Prof. Jacek Gramatyka).

 

Die ersten künstlerischen Überlegungen manifestieren sich nun in dieser Ausstellung. Drei Künstlerinnen aus dem Netzwerk Fikuk wurden 2005 von einer unabhängigen Jury aus den eingegangenen Netzwerk-Bewerbungen in der vorgeschriebenen Sparte Skulptur/Plastik/Environment/Installation einstimmig ausgewählt. Zum Thema Der eigene Blick stellen Barbara Lorenz Höfer aus Buxtehude, Ute Seifert aus Ottersberg und Anja Steckling aus Hannover ganz unterschiedliche Positionen des Eigenen, des Bei-sich-seins, des Rückblicks und der Umschau vor.  Alle Blickrichtungen haben ihre Wurzeln in dem merkwürdigen, schwer fassbaren deutschen Begriff Heimat.

 

Wir haben deshalb der Ausstellung den übergreifenden Titel Blickrichtung Heimat gegeben. Der Zweite Teil des Titels Suche nach Orten wo wir nicht sind greift ein Zitat von Ernst Bloch auf, jenem Philosophen, den das Nazi-Regime aus seiner Heimat Österreich vertrieb. In seinem Hauptwerk Das Prinzip Hoffnung entwickelt er ein Noch-Nicht, ein Konkret Utopisches des Heimatbegriffs, das für ihn jenseits der Klassengesellschaft und der Verortung liegt. Damit betont er ein uraltes Wunschdenken der Menschheit, das es seit der Vertreibung aus dem Paradies gibt: die legitime, sich der Erreichbarkeit aber stets entziehende Ursehnsucht nach Geborgenheit, Sicherheit, Freundlichkeit und Identitätsfindung unter Gleichgesinnten, aus der gemeinschaftlicher Mut zu positiven Veränderungen von Welt erwachsen könnte.

Künstler aller Sparten haben mit herausragenden Werken zu allen Zeiten diese Linie der Sehnsucht und Hoffnung kommentiert, denn Heimat definiert sich auch über ihr Gegenteil, die Vertreibung und das Exil. Und neben den frühgeschichtlichen alttestamentlichen Überlieferungen finden sich auch in Europa seit der Völkerwanderungszeit der Spätantike über die Dramatik des 30jährigen Krieges, die Katastrophen der Weltkriege und des Holocaust bis hin zu  den heutigen Migrationsprozessen aufgrund von Flucht und Vertreibung aus Krisenregionen  der Welt viele Prozesse, die, künstlerisch thematisiert, aufgearbeitet werden und Bereitschaft zum Verständnis wecken können.

 

Es ist etwas Eigenes um dieses Wort Heimat, jeder hat irgendwo eine, wir möchten gern dazu die Europäische,  aber es gibt kaum exakte Übersetzungsmöglichkeiten. Ethymologisch am besten vergleichbar ist das skandinavische Wort Hem, ist ja auch indogermanischen Ursprungs; im englischen homeland, native country, französisch pays natal oder lieu d’origine, polnisch ojczyzna – alle haben größere Nähe zum deutschen Wort Vaterland, das soziologisch gesehen mehr ein Begriff für die nationale Identität ist. Im Vergleich zu Heimat gehen dabei wesentliche intime Aspekte verloren, weil hier neben der denotativen Bedeutung „Haus, Ort oder Land, in dem man geboren ist oder bleibenden Aufenthalt hat“, „Summe der Lebensumstände, in denen ein Mensch aufwächst“ (Dt. Wörterbuch der Gebrüder Grimm, 1877; Duden 1992) die konnotative Bedeutung durch den spezifischen emotionalen, erinnerungs- und assoziationsbedingten Gehalt für jeden Menschen individuell verschieden besetzt  ist. Heimat kann auch Lebensweise sein, Sprache, Speise, oder auch spezielle Gesinnungen. Solche haben bei uns Deutschen nach der Zeit des Nationalsozialismus ja dazu geführt, dass uns der Begriff Heimat  nun nicht mehr ganz so leicht über die Lippen geht. (Mit dem jetzt durch die Fußball-WM beförderten sportlichen Nationalgefühl könnte für die Zukunft doch ein unverkrampfteres Verhältnis zu unserem Heimatland entstehen, da bin ich zuversichtlich).

 

Wenn diese Ausstellung von „Blickrichtung Heimat“ spricht, ist in diesem Begriff Bewegung enthalten, meint: Bewegung aufeinander zu; auf der Basis von klar modellierter nationaler und auch ethnischer Einzigartigkeit soll sie in die Kenntnis europäischer Kulturen  hinein führen und Impulse aus dem Andersartigen empfangen.

 

Nun zu den Arbeiten.

Barbara Lorenz Höfer, ausgebildet als Holzbildhauerin in Oberammergau mit weltweit beachtenswerten künstlerischen Erfolgen, arbeitet seit vielen Jahren mit großformatigen Holzgerüstraumkörpern, die an organische Gebilde erinnern. Diese Körper sind mit einer Haut aus dünnen, fragilen Seidenpapieren überzogen. Häufig sind die entstehenden  Hohlräume beleuchtet oder haben ein Innenleben.

Ihr Environment zwischen autonomer Skulptur und Installation …man kann nicht bleiben, wo man ist…geht das Thema Haus, Behaust/Unbehaust und heimatlos sein als historische Spurensuche an.  Es gibt 5 Objekte. Zwei hölzerne Bienenhäuser auf hohen Stützen nehmen aus dem Innenbereich durch die trennende Glaswand über Laserstrahlen direkten, aber virtuellen Kontakt auf, der sich nur als roter Punkt auf den drei großvolumigen Aussenkörpern sichtbar darstellt. Sie tasten aus dem off, dem himmelblauen Lebensgefühl des Jetzt heraus gewissermassen den Erinnerungsgehalt des Heimatgefühls ab. Die drei ähnlichen  unterschiedlich großen Körperformen bilden im Hof ein raumgreifendes Ensemble. Durch die weiße und graudunkel glänzende Epoxid- Beschichtung der schrundigen, strukturierten Papierhaut, die zusätzliche Behandlung mit Talkum oder Asche, die teilweise Bleiverkleidung und die Nutzung von Leiterwagen und bearbeiteten Koffern entsteht der Eindruck einer Aufbruchs- und Wegsituation unter drückender Last. Die Körper haben unterschiedliche Funktionen: im überlebensgroßen begehbaren weißen, heiter sich öffnenden zeigt die Video-Installation heimatortlos  die Mutter der Künstlerin, die uns von Flucht und Vertreibung aus ihrer schlesischen Heimat erzählt; die Einstellung ist so gewählt, dass wir gegenüber am Tisch zu sitzen scheinen und mitten im Geschehen sind.  Im augenhohen Fenster des zweiten blicken wir von aussen wie heimliche Voyeure auf die  Situation des eingefrorenen Schreckens im Anrücken der Besatzer schon nach Kriegsende: …alles stehen und liegen lassen… und der dritte, kofferähnlich mit Griff auf einem windschiefen Leiterwagen transportiert, mahnt uns an die Macht der Dinge – wie oft verhindert sie als Erinnerungsfetisch von Heimat ein heilsames Loslassen.

Die Geschichte zu diesem Wagen übrigens ist kurios: Er ist die Leihgabe einer Familie, die während ihrer Flucht im 2. Weltkrieg keinen Wagen hatte und alle Habseligkeiten tragen mußte. Völlig traumatisiert kaufte sie sich dieses Gefährt in einer Krise des Kalten Krieges prophylaktisch, um im Fall aller Fälle diesmal besser ausgerüstet zu sein. So steht der Wagen hier als Sinnbild für die tiefen Ängste, die in Migrationssituationen entstehen; die Körper mit ihren deformierten Rückgraten scheinen virtuelle Orte von Verlust- und Vergangenheitsbewältigung, erinnern aber auch an gebeugte Rücken von Landarbeitern in direktem Bezug zur Heimatscholle, wie wir es etwa bei François Millet vorfinden. Im Querschnitt der Öffnung ist der gotische Spitzbogen präsent – liegt die Heimat in der Mutter Erde oder womöglich im Haus Gottes?

 

Das Haus mit all seinen Möglichkeiten als Metapher für inneren und äußeren Schutz, innere und äußere Befindlichkeiten, als Erinnerungsspeicher, Identitäts- und Stabilitätsspender wird hier dialektisch und auf mehreren Ebenen untersucht. Dabei spielt die strikte Farbbeschränkung auf weiß, schwarz und wasserblau eine bedeutungspsychologische Rolle.

Im Prozess der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema (verlorene) Heimat hat die Künstlerin sich viele Fragen gestellt  wie z.B.:

Wer lebt jetzt in den Orten der Familie und ist selbst vertrieben und entwurzelt? Was gehen mich diese Orte an, inwieweit beeinflusst das Familienschicksal noch mein Leben?

 

Barbara Lorenz’ Erfahrung aus der Arbeit zu diesem Thema:

 „In der Auseinandersetzung mit der Vertreibung von Menschen aus ihrer Heimat, ihren Häusern oder Zelten, die jeden Tag aufs Neue stattfindet, bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass jeder nur in sich selbst eine beständige Heimat finden kann. Die Verletzlichkeit des Menschen wird umso größer sein, je weniger Heimat er in sich trägt.“

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Zur Wahl der Arbeit von Barbara Lorenz Höfer notiert die Jury in ihrem Bericht:

„Das schlüssige Konzept bespielt dramaturgisch geschickt den vorhandenen Innen- wie Aussenraum. Die künstlerisch anspruchsvolle Arbeit zeigt historische und ironische Distanz zum Thema und antwortet mit herausfordernder Symbolik“.

 

Ute Seifert, die neben einem Studium der Betriebswirtschaft, Philosophie und Psychologie Malerei und Kunsttherapie in Ottersberg studiert hat, thematisiert vor allem die Farbe. Hier arbeitet sie großformatig und in leuchtenden  reinbunten Kategorien, vor allem das Rot wird von ihr immer wieder untersucht. Aber auch raumbezogene Arbeiten, Performance und Fotografie sowie Zusammenarbeit mit Musikern gehört in ihr Arbeits-Spektrum.

 

Größer könnte der Kontrast zur sonstigen Werkpalette kaum sein -  in ihrem Brüsseler Werk spielen der Schatten als Modulator des Lichts und ein intrinsischer Rhythmus die Hauptrolle.Die Künstlerin richtet den eigenen Blick auf die Heimat der menschlichen Präsenz und ihren Lebensmotor, das Herz. Dabei verzichtet sie auf die sofort im Kopf blühenden Assoziationen wie Herz–Schmerz, Liebe-Triebe und was es sonst noch an trivialem Heimat-Kitsch so gibt. Nein, sie untersucht das Innerste, Intimste, Geheimnisvollste: den Ton, der Ausdruck der veritablen Arbeit ist, die ein menschliches Herz leisten muss, um den Organismus zu erhalten. Dieser Ton gibt als Schlag im Körperraum den Rhythmus des Lebens an, und ihm folgt der Mensch nach seiner individuellen Disposition. Ihm verdankt er im übertragenen Sinn auch seine unverwechselbare Ausstrahlung, seine Empfindungs- und Wahrnehmungsfähigkeit, sein Erinnerungsvermögen, seine Zukunftsvisionen. Für Ute Seifert ist das Herz deshalb auch ein Sinnbild der vergehenden Zeit und ihrer Metamorphose durch Erfahrungswerte.

 

Schon die griechischen Philosophen waren ja der Meinung, dass Erinnerung und Zukunftswunsch im Jetzt der Gegenwart kulminieren, und dennoch ist alles im Fluss – pantha rei.  Und Horaz fordert seine Römer wenige Jahrhunderte später auf, das Jetzt, den Tag als Summe aller Tage zu genießen – carpe diem quam minimum credula postero.

So besteht die Arbeit Herztöne aus wenigen kleinformatigen, luziden Teilen, die wie ein Hauch verwehen könnten. Minimalistisch feiert der Schriftzug Jetzt den Augenblick in rhythmisch wiederkehrender Weise als reliefartiger Fries – das Wandobjekt aus weißem Draht wird  gefolgt von einer Zwanziger-Reihe kleiner beschrifteter Folienfragmente, die segmentförmig gebogen ebenfalls kaum wahrnehmbar wären, gäbe es nicht die Schattenwirkung der Schrift an der Wand, Manifestation der Flüchtigkeit oder Gleichzeitigkeit von Augenblicken. Eine Mappe mit Zeichnungen auf Transparentpapier rundet die gedankliche Arbeit ab. Vielmal in unterschiedlichster Flüchtigkeit erscheint „Jetzt“, manchmal deutlich lesbar, manchmal ist der Schriftzug zur nur künstlerisch lesbaren Grafik mutiert. Und reizvoll ist die Überlagerung der jeweiligen nachbarschaftlichen Blätter, die auf spannende Weise die Idee der Simultaneität von Zeit und Leben, Wahrnehmung und Empfindung, Erkennen und Handeln, Innen und Aussen verdeutlicht.

 

Signifikant für Ute Seiferts Arbeit ist immer die Verbindung mit Musik, lange Jahre schon arbeitet sie mit der Baseler Komponistin und Pianistin Aida Käser-Beck zusammen. Auch hier haben beide Künstlerinnen die akustische Komponente erarbeitet: Originale Herzton-Aufnahmen aus dem Medizinlabor sind die Grundlage für vier verschiedene Kompositionen zum Thema. Die Komponistin, die hier auch am Klavier sitzt, umspielt und verfremdet den Herz-Beat – echte Körper-Percussion, die auch schon mal stolpert, immerhin sind lebendige Herzen im Spiel – mit zeitgenössischen Klängen von farbigem Kontrastreichtum. Es entsteht ein zurückgenommen meditativer Eindruck aus transparentem Sound. 

 

Haben Sie die Kopfhörer  dann zur Seite gelegt, bittet die Künstlerin um interaktive Mitarbeit an der Herzmaschine: Bitte schreiben Sie Ihre herzbewegten Gedanken und Begriffe auf – einige Meter sind schon zustande gekommen, denn das Herz ist doch ein gar seltsam Ding, das tief blicken lässt – in welche Richtung auch immer.

 

Die Jury schreibt zu Ute Seiferts Arbeit:

„Die kühle, stille Arbeit zeigt emotionale Tiefe. Die Autoreflexion durch Klang erfährt ihre besondere Spannung durch die gleichzeitige Verwendung von strenger wissenschaftlicher Information und zeitgenössischer, nahezu meditativer Klaviermusik“.

 

Nun freuen Sie sich mit mir ganz besonders auf Anja Steckling, die hier die junge Generation der niedersächsischen Künstlerinnen vertritt. Sie studierte am Limerick Institute of Technology, Art & Sciene in Irland sowie an der FH Hannover Bildende Kunst, war 2005 Meisterschülerin von Prof.Bernhard Garbert und arbeitet als wissenschaftliche Assistentin an der Hochschule Hannover. In den Ausstellungen junger Kunst in und um Hannover und darüber hinaus ist sie regelmäßig vertreten.

 

Die Künstlerin macht hier reine Basisarbeit und möchte mit Ihrer sozialen Plastik viele Individuen erreichen, die aus ihrer Heimat heraus das Fremde für sich erschließen wollen. Daher hat sie ein Multiple entwickelt, bestehend aus einer Aluminiumdose – so ähnlich kennen wir die gängigen  Butterbrotdosen -, die mit einem Tragegurtband versehen ist. Das beziehungsreiche Innenleben im schaumstoff-gepolsterten Display besteht aus einer medizinischen Augenbadewanne, Beuteln mit Augentrost-Tee die sich nach Zubereitung zur inneren und äußeren Anwendung eignen.  Flash-Kärtchen mit Adjektiven wie ungewöhnlich – unüblich – wunderlich -  kurios – anders usw. und Blanko-Kärtchen ergänzen ein Notizbuch, in dem die semantischen Einhilfen bei der Beschreibung von Empfindungen, speziellen Kommentaren von Nutzen sein können. Das Notizbuch bietet weiter Platz für Skizzen, die Darstellung visueller Neuheiten, die Sprache allein nicht fassen kann.

 

Die designmässig am Bauhaus orientierten, coolen Objekte gibt es in mehreren europäischen Sprachen, ein Appell an europäische Künstler, sich das jeweils Fremde mit klarem Blick näher anzusehen und auf der Folie eigener Heimatempfindungen zu reflektieren. Dazu stellt Anja Steckling Leihverträge mit Bedingungen aus:  Alle Erfahrungsspuren bildnerischer wie literarischer Art sollen zu Vergleichen und gegenseitigem Austausch gesammelt und veröffentlicht werden. Hierzu bietet sich das wwweb geradezu an. Auf die Ergebnisse dieser Arbeit im Bereich der Visuellen Kommunikation dürfen wir gespannt sein.

 

Anja Stecklings Objekt-Arbeit ist mobil und interaktiv zu verstehen. Sie kann ganz konkret den Zugang zur Fremde als Gegenposition von Heimat erleichtern, indem sie auf der begrifflichen Ebene den Wortsinn des Themas geradlinig reportiert und akribisch abarbeitet. Hinter der scheinbaren Selbstverständlichkeit und Praktikabilität dieser Aufforderung schillert der Schalk: Er führt von der aktionistischen Handlungsebene unversehens zu  metaphorischen Bezügen und Ebenen mit Symbolgehalt, die zu philosophischen Reflexionen über Sehen und Wahrnehmen führen, über Aneignen durch Begrifflichkeit und schriftliche Fixierung, über Erkennen und Anerkennen im Sinne von Toleranz.

 

 

So lobt auch die Jury:

Es gefällt die spielerische Herangehensweise und persönliche Einstellung zur Thematik. Plastik ist hier verstanden als Objektkunst, die unterschiedliche Dimensionen von Zeit adaptiert und mit dem Reisegedanken verbindet. Es entstehen ‚Europäische Multiples’ mit hohem Diversifikationswert.

 

Meine Herren und Damen, ich hoffe, es ist mir gelungen, Ihnen einen Einblick in die künstlerische Landschaft dieser Ausstellung und ihrer Zielrichtung zu vermitteln. Wir freuen uns über nachfolgende anregende Gespräche und möchten uns nun noch einmal herzlich bei unseren Gastgebern, Frau Zengerling und Herrn Schumacher, und bei Ihnen, liebe Frau Mann, bedanken. Die Künstlerinnen haben Werke für Sie ausgewählt, die in den heutigen Kontext gehören und wir alle hoffen, dass diese Arbeiten einen  positiven Erinnerungswert für Sie haben werden.

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