Bericht vom 22.09.2018
Schlösser, Gärten, Park-(Ver)Führungen am Rhein
Ballungsraum Köln-Bonn, Reisevortrag 2018
© Jutta de Vries
Schlösser, Gärten, Parkanlagen – (Ver)führungen im Ballungsraum Köln-Bonn
Reisevortrag 2018
Jutta de Vries
Gärten sind Erholungsorte für Geist, Seele und Körper – das wußte beispielsweise schon Semiramis, die in Babylon vor 3000 Jahren die sagenhaften „Hängenden Gärten“ anlegen ließ; die Herrscher Persiens und der Levante experimentierten schon früh mit dem Druck des Wassers für ihre kühlenden Wassergärten; von ihnen lernten die Römer, sie brachten ihre Kenntnisse in die eroberten Gebiete Galliens und Germaniens - seither sind Gärten stets Ausdruck von Macht, Fülle, Lebensfreude, Inspiration und Repräsentation. Sie sind also fast immer mit einer baulichen Wohnanlage verbunden, Burg, Schloß, Herrenhaus, Lustpavillon.
Im christlichen Abendland ist der Garten aber auch Abbild des Himmlischen Paradieses, er wird zum Garten Eden hier auf Erden. Mit einer Mauer umschlossen, kennen wir Darstellungen aus dem frühen Mittelalter als „hortus conclusus“, Sinnbild der Reinheit der Jungfrau Maria und der Kontemplation und Meditation. In Klöstern wurde daraus der Garten innerhalb des Kreuzgangs.
Die streng formalen Gärten als Abbild göttlicher Ordnung wurden bis in die Barockzeit gebaut – es fallen uns Beispiele wie Versailles oder Würzburg ein. Im 18. Jh dann tritt von England aus die gelockerte Parklandschaft ihren Siegeszug durch die Welt an, mit ihren Sichtachsen, Durchblicken, überraschenden Baumgruppen, seltenen Pflanzen. Viele geometrische Barockgärten wurden damals umgestaltet, um dem freiheitlichen, demokratischen und romantischen Gedanken Raum zu geben.
Heute besinnt man sich wieder auf beide Formen und versucht, wenigstens einen Eindruck der alten Denkmuster zu vermitteln, wo das noch möglich ist.
Unsere Gartenreise führt uns in den nächsten 4 Tagen in eine landschaftlich sehr divergente Gegend Deutschlands, die im bevölkerungsdichtesten Bundesland NRW liegt, also in einem Ballungsraum im Kreuz von 4 Großstädten, nämlich Duisburg, Düsseldorf, Köln und Bonn, voller Industrie- und Großanlagen, die der gewachsenen Natur ihren Negativ-Stempel aufgedrückt haben. Dazu gehören die riesigen tiefen und gänzlich toten Braunkohlenabbauten, die Kraftwerke, die Kühltürme, dazu die geballten urbanen Siedlungszentren mit verdichteter Hochhaus-Bebauung; eine Gegend also, die wir nicht unbedingt für einen Umwelt-Preis vorschlagen würden, die aber – welch ein Kontrast - überraschende, großartige Naherholungszonen aufweist. Und es gibt eine hohe Dichte an Herrenhäusern und Schlössern, von denen wir in den nächsten Tagen eine kleine Auswahl kennenlernen werden. In dieser alten Kulturlandschaft hat sich der Atem der Geschichte nicht unterdrücken lassen! Verschiedene Gartenprojekte kommen dabei zur Sprache, die auch vom „Europäischen Netzwerk der Gartenkunst“ in ihrer Restaurierung unterstützt werden. Sie werden begeistert sein, und können dann vielleicht am Ende der Reise die bekannte Frage für sich beantworten, denn es heißt ja nicht umsonst „Warum ist es am Rhein so schön“?
Wir besichtigen
Die Museumsinsel Hombroich
Schloß Dyck
Die Klosterkirche Knechtsteden
Die Brühler Schlösser Falkenlust und
Augustusburg
Die Burgruine Drachenfels
Das Schloß Drachenburg
Den Adenauer-Garten in Rhöndorf
Das Klosterareal Heisterbach
Schloß Benrath
Und auch, weil es so schön ist, das Max-Ernst Museum in Brühl. Hier treffen wir auf einen surrealen, imaginären „Kopf-Garten“.
Unser Zielgebiet ist ja politisch und gesellschaftsgeografisch immer spannend gewesen, meistens nicht nur zur Freude der Bewohner. Die Römer eroberten ihr Germania entlang des großen Flußlaufs bis zur Mündung, das war einfach, geradezu ein Klacks. Die Franken- und Germanenstämme wurden weg gedrängt, der Limes Germaniae, eine frühe Form der Berliner Mauer, hielt sie in Schach. Die Leidenschaft des Burgenbaus am Rhein zwecks Überwachung oder zur Zolleinnahme hat, obwohl erst viel später, nämlich im Mittelalter durchgeführt, ihren Ursprung hier. Oder die Germanenstämme assimilierten sich, schließlich brachten die Römer Zivilisation, leichteres Leben und vor allem den Wein mit an den Rhein. Und sie gründeten des Feldlager Colonia Ara Agrippinensis, aus dem später unser Köln entstand, auch die Siedlung Bonn gab es schon. Kein Wunder, daß nach dem Abzug der Römer ein so gut aufgestelltes Gebiet mit astreiner Infrastruktur begehrt war. Unter Karl d. Großen war der mittlere Rhein das Rückgrat des Reiches, unter den Erben ein ewiger Streitpunkt und wechselnde Landesgrenze, bis zu den Neuordnungen nach dem 2. Weltkrieg. Und früher hatte auch die Kirche eine starke Machtposition: Die Erzbistümer in Köln und Mainz wetteiferten um die hegemoniale Vormachtstellung und bedienten sich dabei des Rheins. Auch, indem sie an seinen Ufern repräsentative Bauwerke errichteten, in unserem Reisegebiet sind das die Schlösser Augustusburg und Falkenlust. Das konnten die weltlichen Herzöge von Jülich, Cleve und Berg in Düsseldorf nicht auf sich sitzen lassen und kontern mit Schloß Benrath. Kleinere Grafen wollten auch am Repräsentationskuchen teilhaben, wie etwa die Grafen Dyck, die seit dem 11. Jh. auf ihrem Landsitz heimisch waren – bis 1992 fast 1000 Jahre lang übrigens die gleiche Familie, inzwischen Fürsten von Salm-Reifferscheid-Dyck. Damals, im Barock in den Rang des Erbmarschalls von Köln erhoben, zog man gleich: mit einem zauberhaften Barockschloß, das aus der alten Wasserburg entstand und baute dazu gehörig den Garten aus. Die vier Anlagen entstanden nach dem 30jährigen Krieg in dieser Form, als sich die Region von den Schrecken der Zeit langsam wieder erholen konnte. Die Gärten wurden zunächst streng absolutistisch barock angelegt nach dem Vorbild von Versailles, waren aber im Lauf der Zeit dem neuen Geschmack des englischen Landschaftsgartens unterworfen. In Dyck holte man Thomas Blaikie aus England, nutzte später aber auch Pläne von Friedrich Weyhe und Joseph Lenné. Der damalige Fürst Joseph (bis 1861) war Naturwissenschaftler und Verfasser botanischer Werke, seine Dokumentation aller Pflanzen auf Dyck ist weltberühmt.
Leider wurde bei Aufgabe des Besitzes von der Erbengemeinschaft die kostbare jahrhundertelang gewachsene Bibliothek versteigert, der Landkreis konnte die Mittel nicht aufbringen. Schloß und Park sind nun eine Stiftung, die Gartenanlagen vielfältig und lebendig, und wir haben das Glück, nach unserer ausführlichen Führung ein Fest mit zu erleben. Es findet die jährliche „Illumina“ statt, das gesamte Gelände ist bei einfallender Dunkelheit farbig beleuchtet.
Benrath in Düsseldorf und Augustusburg in Brühl sind Sommersitze der weltlichen und geistlichen Macht gewesen, sie dienten offiziellen Repräsentationszwecken. Entsprechend sind auch die Gartenanlagen gestaltet, das barocke Parterre ist erhalten und heute sorgfältig restauriert, daran schließen sich die weitläufigen englischen Gärten an. Von Augustusburg aus kann man auf streng gerichteten Waldwegen zum zierlichen Jagdschlößchen Falkenlust wandern, das von Kurfürst Clemens August, dem mächtigen Bayernfürsten auf dem kurkölnischen Bischofsthron, zur heiteren Erbauung errichtet wurde – berühmte Baumeister waren in beiden Schlössern verpflichtet: Johann Konrad Schlaun, Francois de Cuvillés, Balthasar Neumann – das eine glanzvolles Gesamtkunstwerk, das andere intimes Kleinod des Rokoko – ein Höhepunkt unserer Reise.
Dem 19. Jh verpflichtet ist unser Abstecher auf den Drachenfels. Die mittelalterliche Zwingburg auf dem vulkanischen Trachytfelsen ist heute nur noch Ruine. Sie und das auf Halber Höhe liegende Drachenburg-Ungetüm sind Zeichen der gesteigerten Romantik-Sehnsucht des 19. Jahrhunderts, die man am Rhein gern fütterte, um mit dem beginnenden Tourismus eine weitere Erwerbsquelle zu erschließen..
Gleich unterhalb des Drachenfels, gewissermaßen im Schatten des Drachen, hatte sich der erst Bundeskanzler von Nachkriegsdeutschland, Konrad Adenauer, in einen Steilhang verliebt, der ein aufgelassener Weinberg war. Dort ließ er sein Privathaus und seinen Garten in mehreren Etagen hinaufklettern. Berühmt ist seine Rosenliebe. Sicher blühen noch einige auch für uns. Nicht nur Nostalgie gibt es hier, sondern auch wissenschaftlich fundierte politische Bildung.
Daß der Garten in der Wüste, im Zweistromland Mesopotamiens seinen Ursprung hat, ist schon faszinierend. Die Wasser von Euphrat und Tigris wurden durch komplexe Systeme geleitet, um Blumen, Früchte, Obst und Getreide gedeihen zu lassen, und zu Recht heißt ein orientalisches Sprichwort: „Man muß nicht erst sterben, um ins Paradies zu gelangen, solange man einen Garten hat“
Ein umgrenztes Stück grün, das der Wüste abgetrotzt wurde – aus dem altpersischen Begriff dafür übersetzten die Griechen das Wort „paradeisos“ , das in viele Sprachen einwanderte, auch in die Bibel. Im Alten Testament ist Eden aber auch mit einem Auftrag verbunden: diesen Garten sollen die Menschen bebauen und bewahren – doch daran scheiterten schon Adam und Eva, weil sie sich nicht an die Regeln hielten. Gartenarbeit heißt nicht, sich gierig einzuverleiben, was wächst und gedeiht, sondern heißt Sorge und Pflege statt Selbstermächtigung – die biblische Botschaft hat es in sich und ist deshalb auch in jedem Klostergarten präsent. Weil nämlich nach dem Sündenfall der Garten Eden ein Sehnsuchtsort wird. Aber er ist nicht nur Hoffnung auf Erlösung, sondern spiegelt als Garten Gethsemane ja auch Todesangst, existenzielle Krise, wird zur Glaubenswüste. Hier scheinen Paradoxien auf, ein Sinnbild von Leben aber auch vom Vergehen, wie es ja auch der Kreislauf des Jahres in der Natur im Garten manifestiert.
Deshalb habe ich auch zwei Klöster des Mittelalters in unsere Reise mit aufgenommen, da das Kloster-Konzept des Hortus conclusus die Gartenkultur Europas in nachmittelalterlichen Zeiten nachhaltig beeinflußt hat. Das altorientalische Modell von Eden, ein Areal mit einer Quelle im Zentrum, die sich in 4 Ströme teilt und den Garten gliedert, wird im Kreuzgarten abgewandelt. Hier ist es der Brunnen in der Mitte und vier geteilte Pflanzbereiche. (Die 4 als Symbol) Die Mönche gehören zu den Pionieren des Gartenbaus. Vor allem die Benediktiner und Zisterzienser, die wir in Knechtsteden und Heisterbach antreffen, folgten mit der Urbarmachung der Landschaft und der Schulung umliegender Bauernschaften zur Verbesserung landwirtschaftlicher Hege dem geistlichen Prinzip zur Bewahrung der Schöpfung.
Werden, Wachsen und Vergehen ist der Rhythmus des Lebens und mit seinen Gegensätzen von Arbeit und Muße, Nutzen und Schönheit, Natur und Kunst immer schon in seinen Gegensätzen erkannt worden. Heute heißt das Spannungsfeld neudeutsch „Nachhaltigkeit, Spiritualität, Work-Life-Balance, Entschleunigung oder Outdoor-Sozialraum“. Auszeiten im Grünen haben Konjunktur, Begegnung mit sich selbst kann stattfinden: Wo sind meine Wurzeln, wo bin ich verortet, wo gibt es neues Grün, sprich Hoffnung in meinem Leben? Hier zeigt sich, daß die Natur Fluchtpunkt und Zukunftswerkstatt, Kraftquelle sein kann; „im Grün gedeiht der Traum von einer besseren Welt“ sagt Florian Breitmeier in einem Essay: „Denn im Garten verbinden sich Himmel und Erde. In Mythen und Legenden gilt der Garten als Sitz der Götter, als Elysium – eine Insel der Seligen, ein zeitloses Anderswo“.
Als die Gartenarchitekten in der Renaissance auf den Plan traten, wurden aus Nutzgärten Ziergärten, neue Sichtachsen und Perspektiven formten die Natur zu grünen Idealwelten, nach göttlich-geometrischen Ideen wie im barocken Garten oder als offener Landschaftsgarten, der sich als freier Gegenentwurf versteht. Künstler liebten und lieben Gärten; Monet in Giverny, Liebermann am Wannsee, Nolde in Niebüll, Niki de St. Phalle in Italien; Künstlerkolonien suchten die Natur, z.B. in Worpswede, in Ahrenshoop, in Dachau – Phantasievolle Gegenwelten entstanden und entstehen auch heute, sogar in der Stadtbegrünung, denn die Sehnsucht nach dem grünen Paradies ist unsterblich und uns Menschen eingeschrieben.
Diese etwas nachdenklicheren Worte möchte ich gern mit einem Gedicht von Rose Ausländer beschließen, Rose Ausländer, die als NS-Verfolgte im Lager Czernowitz überlebte und erst in den 70er Jahren in Deutschland als Lyrikerin bekannt wurde .
Rose Ausländer
Die Bäume
Immer sind es die Bäume
Die mich verzaubern
Aus ihrem Wurzelwerk schöpfe ich
Die Kraft für mein Lied
Ihr Laub flüstert mir
Grüne Geschichten
Jeder Baum ein Gebet
Das den Himmel beschwört;
Grün die Farbe der Gnade
Grün die Farbe des Glücks
Aber zunächst zur geheimnisvollen Insel Hombroich, die nur im imaginären Sinn eine Insel geworden ist, nämlich eine Kunst-Insel – vielmehr war sie ein verwildertes Anwesen aus dem 19. Jh., das am Flüßchen Erft liegt. Bis 1984 hatte die Natur sich das Land zurück geholt, es waren im Niederungsgebiet Seen, Auen, Feuchtwiesen und die entsprechende Flora und Fauna entstanden.
Und dann tritt der Düsseldorfer Immobilienmakler Karl-Heinrich Müller auf den Plan, der eine große, verrückte Vision hat: er will seine Kunstsammlung mit der Natur verschmelzen lassen, gewissermaßen ein künstlerisches Paradies schaffen. Müller ist aus armen Verhältnissen zu Reichtum gekommen und ist Kunstliebhaber aus dem Bauch heraus, d.h., er sammelt, was ihm gefällt. Er kauft das Areal, sichert sich zwei Künstler für die Gestaltung, zum einen den Gartenarchitekten Bernhard Korte, der die Natur kenntnisreich und einfühlsam für die Kunst „parallel zur Natur“ (Cézanne) gestaltet, er pflegt sie, als ob sie nicht gepflegt wird, prähistorische Pflanzen werden wieder vermehrt und die exotischen Pflanzen des früheren Parks einbezogen. Der zweite Künstler ist der Düsseldorfer Bildhauer Erwin Heerich. Der setzt in die Landschaft 10 begehbare Skulpturen, die Müllers umfangreiche, breit gefächerte Sammlung aufnehmen. Der Maler Gotthard Graubner, ebenfalls ein Freund Müllers, konzipierte die Ausstellungspräsentation als Installation, d.h. Kunstwerke unterschiedlicher Zeiten und Kulturen stehen sich gegenüber und korrespondieren miteinander und mit den Betrachtern. Chinesische Glaskunst des 18. Jh tritt in Dialog mit Hans Arp und Kurt Schwitters, den DADA-Vertretern, oder kambodschanische Kmer Skulpturen pointieren die großformatigen Farbraumkörper Graubners.1987 wird eröffnet, Die Künstler Heerich, Graubner und Anatol Herzfeld dürfen sich in einzelnen Ateliers niederlassen. Das besondere an diesem Museum ist, daß es keins ist – keins der Werke in den Gebäuden ist bezeichnet, wir als Besucher sollen nicht gedrängt werden, irgendeine große Kunst verstehen zu müssen, nein wir sollen uns bewegen wie im Paradies, uns an den Früchten der Kunst sozusagen bedingungslos erfreuen – das ist aber auch eine Herausforderung an die bewußt a-perspektivisch angelegte Anlage. „Besucher müssen ihren Standpunkt selbst finden“ sagte Müller. Und so fließt auch die Spaziergangswissenschaft des Kasseler Professors Lucius Burckhardt in das Projekt ein. Ziel der sog. Promenadologie ist der offene Versuch, eine neue Lebensform zu finden mit Hilfe von Techniken, die das konzentrierte und bewusste Wahrnehmen unserer Umwelt und dabei das Weiterführen des bloßen Sehens zum Erkennen üben. Laut Burckhardt hat der technische Fortschritt auch zu einer Entfremdung und Wahrnehmungsveränderung des Menschen im Bezug zu seiner Umwelt geführt. Der Blick des Menschen hat sich rasant verändert. Hombroich will hier einhaken und uns zu einer Wahrnehmungsübung einladen.
Dort gibt es in den 10 Häusern von Heerich, die wie Skulpturen gestaltet sind, Werke folgender Künstler zu sehen:
Werke von Hans Arp, Alexander Calder, Paul Cézanne,Eduardo Chillida,Lovis Corinth, Jean Faultrier, Alberto Giaccometti, Yves Klein, Gustav Klimt, Henri Matisse, Francis Picabia, Rembrandt, Schwitters, Khmer und China, Graubner, Herzfeld, Heerich.
In Brühl springen wir von den Barockschlössern in das 20. Jh: Der Surrealist Max Ernst, hier 1891 geboren, wird in seinem weltweit einzigen Museum hier umfassend dargestellt. Das Museum ist aus einem einstigen Ausflugslokal entstanden, ein klassizistisches Bauwerk, das 4 Jahre lang zum Museum umgebaut wurde. Die Präsentation umfaßt die rund 70 Schaffensjahre Max Ernsts vom Dadaismus im Rheinland über Surrealismus in Frankreich, Exil in den USA, Rückkehr nach Frankreich 1973 bis zu seinem Tod 1976. Höhepunkte sind die grafische Sammlung mit der Erfindung der Collage, Frottage, Grattage und Decalcomanie und die „D-Paintings“, jährliche Geburtstags- und Liebesgeschenke an seine Frau Dorothea Tanning, in denen er alle Techniken fantasievoll einsetzt. Immer kommt auch der Vogel Loplop vor, sein Alter Ego. Abgedreht, romantisch, enigmatisch, ironisch, immer neu und magisch ist das Werk Max Ernsts, er hat eine besondere Sicht auf eine innere Wirklichkeit, die sich im Spannungsfeld des Unbewußten ausdehnt.
Er sagt: “Der Künstler ist verloren, wenn er sich findet“.
Zum Abschluß noch drei Drachenfels-Gedichte. Lord Byron stößt mit seinem Werk die britische Rhein-Manie an; Heinrich Heine konterkariert den Rhein-Run spöttisch, und Freiligrath schlägt über das Bild des den mittelalterlichen Kampfes die Brücke zum Freiheitskampf im 19. Jh.
Lord Byron (George Gordon Noel)
(London 1788 - 1824 Missolunghi):
"The castled crag of Drachenfels" (1816)
"Der turmgekrönte Drachenfels" (1816)
(Übers.: Aug. Mommsen, 1885)
Weit droht ins offne Rheingefild
Der turmgekrönte Drachenstein;
Die breite Brust der Wasser schwillt
An Ufern hin, bekränzt vom Wein,
Und Hügeln, reich an Blüt' und Frucht
Und Au'n, wo Traub' und Korn gedeihn,
Und Städten, die an jeder Bucht
Schimmern im hellen Sonnenschein:
Ein Zauberbild! - Doch fänd' ich hier
Zwiefache Lust, wärst du bei mir!
Und manche holde Bäuerin
Mit Frühlingsblumen in der Hand
Geht lächelnd durch das Eden hin;
Hoch oben blickt vom Felsenrand
Durch grünes Laub das Räubernest,
Und manches Riff mit schroffer Wand
Und kühnen Bogens stolzer Rest
Schaut weit hinaus ins Vaterland;
Nur eines fehlt dem schönen Rhein: -
Dein Händedruck, - ich bin allein!
Die Lilien, welche ich empfing,
Send' ich zum Gruße dir ins Haus:
Wenn auch ihr Duft und Schmelz verging,
Verschmähe nicht den welken Strauß!
Ich hielt ihn hoch, ich weiß es ja,
Wann deine Augen bald ihn sehn,
Dann ist mir deine Seele nah':
Gesenkten Hauptes wird er stehn
Und sprechen: Von dem Tal des Rheins
Schickt diesen Gruß sein Herz an dein's.
Der stolze Strom erbraust und fließt,
Der schönen Sagen Zaubergrund;
In tausend Windungen erschließt
Sich neue Schönheit, reich und bunt;
Wer wünschte nicht mit Herz und Mund
Ein Leben lang zu rasten hier?
Kein Raum wär' auf dem Erdenrund
So teuer der Natur und mir,
Wenn deine lieben Augen nur
Noch holder machten Strom und Flur.
Heinrich Heine
(Düsseldorf 1797 - 1856 Paris):
"Die Nacht auf dem Drachenfels" (1830)
Um Mitternacht war schon die Burg erstiegen,
Der Holzstoß flammte auf am Fuß der Mauern,
Und wie die Burschen lustig niederkauern,
Erscholl das Lied von Deutschlands heil'gen Siegen.
Wir tranken Deutschlands Wohl aus Rheinweinkrügen,
Wir sahn den Burggeist auf dem Turme lauern,
Viel dunkle Ritterschatten uns umschauern,
Viel Nebelfraun bei uns vorüberfliegen.
Und aus den Trümmern steigt ein tiefes Ächzen,
Es klirrt und rasselt, und die Eulen krächzen;
Dazwischen heult des Nordsturms Wutgebrause ...
Sieh nun, mein Freund! so eine Nacht durchwacht' ich
Auf hohem Drachenfels, doch leider bracht' ich
Den Schnupfen und den Husten mit nach Hause.
Ferdinand Freiligrath
(Detmold 1810 - 1876 Cannstadt):
"Auf dem Drachenfels" (1839)
Hoch stand ich auf dem Drachenfels;
Ich hob die Hand, ich biß die Lippen.
Mein Jagdhund, freudigen Gebells,
Schlug an im Widerhall der Klippen.
Er flog hinab, er flog hinan,
Er flog, als ob ein Wild ihm liefe;
Ich aber stand, ein froher Mann,
Und bog hinab mich in die Tiefe.
In seiner Trauben lust'ger Zier,
Der dunkelroten wie der gelben,
Sah ich das Rheintal unter mir
Wie einen Römer grün sich wölben.
Das ist ein Kelch! - Die Sage träumt
An seinem Rand auf moos'ger Zinne;
Der Wein, der in dem Becher schäumt,
Ist die Romantik, ist die Minne!
Ha, wie er sprüht: - Kampf und Turnier!
Die Wangen glühn, die Herzen klopfen!
Es blitzt der Helm und das Visier,
Und schöne, frische Wunden tropfen!
Und hoch im Erker sinnend steht,
Vor der sich senken alle Fahnen; -
Was bin ich so bewegt? - was weht
Durch meine Brust ein sel'ges Ahnen?
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