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Bericht vom 31.07.2016

Hitzacker Musiktage-Buch

Eröffnungstag Samstag, 30. Juli 2016

© Jutta de Vries

Hitzacker Musiktage-Buch
Eröffnungstag Samstag, 30. Juli 2016 


Das achte Jahrzehnt beginnt für die „Sommerlichen Musiktage Hitzacker“ runderneuert:
Neuer Vorsitzender der Gesellschaft der Freunde, Dr. Christian Strehk: besticht in der Begrüßungsrede durch feinen Humor und Stringenz, in sener Werkeinführung für das Abendkonzert mit Sachkenntnis; neuer Intendant und künstlerischer Leiter Oliver Wille: fast jungenhaft sprühend von Einfällen,seine Begeisterung steckt an; neue Formen der Vermittlung mit vielen jugendlichen Stipendiaten und Formaten: es bewegt sich viel auf dem „Grünen Hügel der Kammermusik“.
 
Gleich am Eröffnungstag schont Wille sein Publikum nicht. Mit seinem Kuss-Quartett lotet er "vier Arten, den Tod zu beschreiben" in ungewöhnlicher, nicht unumstrittener Form aus: Auf Kurtags TotenKlage um den geschätzten Lehrer im „officum breve“ folgt die Verschmelzung christlicher Kreuzesworte im Werk Haydns, des Klassikers, mit dem Jammer über den Holocaust von 1996 bei Birtwhistle und den antiken Orpheusklagen von 1994 von Adès, abwechselnd portioniert und jedes für sich großartig gespielt, bewundernswert, wie das hoch dekorierte Quartett "switchen" kann - und sprechend artikuliert, - es handelt sich ja praktisch um ungesagten Text – beeindruckend, überraschend, aber anstrengend für viele Festivalbesucher im steten hin und her der Stilformen – und eine neumodische Form der Präsentation, eine Masche, die zunächst einmal Aufmerksamkeit fordert un neue Musik geschickt verpackt, aber sich ernsthaft bestimmt nicht lange am Markt halten wird. Keinem Werk kann man auf diesem Weg gerecht werden, es seiner Dramaturgie und seinem musikalischen Fluß entsprechend durchhören. Im übrigen gehört schon Mut dazu, ein heiteres Sommerfestival zur Eröffnung mit dem Themenspektrum von Leid und Tod zu konfrontieren. Gleichwohl war die Künstlerleistung festivalwürdig und absolut lustvoll.


Vorlieben des neuen künstlerischen Leiters merkt man auch gleich am ersten Tag: neben Kurtág sind das auch dessen geistige „Vorfahren“, die eine Linie ins Ungarische bilden über  Sandor Veress, Zoltan Kódaly,  bis zu Béla Bartok, der als erster die ungarische Volksmusik erforschte und zur Grundlage seiner Kompositionen machte. Und als Vorbild für alle denke man sich Webern im Off.
 
Im Abendprogramm treffen auf den Punkt genau die beiden Ungarn Dénes Várjon, Klavier und der beispiellos klangzauberische Cellist Miclós Perényi auf der Verdo-Bühne zusammen, um Werke in dieser Tradition zu musizieren. Sie blickten auch auf das Nachbarland Tschechien, das mit Janacek und Martinu  den Volkston ihres Landes in ganz eigener Sprache treffen. Und eine Generation früher noch hatte schon der Deutsche Brahms Erfolge mit ungarischen Klängen und Rhythmen gefeiert.
 
Paprikaürzig explodierte nun das Programm um die sehr traditionalistisch aufgefaßte Brahms-Cello-Sonate Nr.1 herum; welch ein spirit bei Koldály, welche Kantilenen; welch ein Witz im kniffligen Veress; welch ein drive in Bartóks Lassú-Friss! Das Duo, allen voran der berührende Miclós Perenyi, erhielt tosenden Beifall im  ausverkauften Haus und bedankten sich – wie könnte es selbstverständlicher sein – mit einem samtglänzenden Johann Sebastian Bach.


Kontrast über Kontrast, in der Inselküche ging es dann noch bis zum nächsten Morgen weiter, Party einmal anders, DJ Clé legt Klassik auf, das Bier, der Wein schmecken auf einmal so klassisch gut, wenn das Kuss-Quartett  Klassik live mit den Festival-Akademikern zum Besten gibt, gelöst, fließend, Club-Laune pur. Zur Nachahmung empfohlen!


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