Bericht vom 31.10.2015
Stimmen zu Luther in Bild und Ton
Texte zur Bildauswahl Luthermahl 2015 Innenstadtkirchen Stade
© Jutta de Vries
Stimmen zu Luther in Bild und Ton
Texte zur Bildauswahl Luthermahl 2015 Innenstadtkirchen Stade
©Jutta de Vries
Facebook, Twitter, Google und Co – liebe Luthermahl-Tischgemeinde, Facebook, Twitter, Google und Co prägen unser heutige globalisierte, digitalisierte Welt, sind gut für blitzschnelle Information, Kommunikation, Diskussion, aber auch für Agitation, Hetze, Schmähung und Polemik.
Ähnlich euphorisch müssen die Menschen vor knapp 500 Jahren gefühlt haben, als Gutenbergs Erfindung der beweglichen Lettern für den Buchdruck und der mechanischen Druckmaschinen mit einem Schlag das Nachrichtenwesen revolutionierte. Info für alle, lesen lernen mit der frisch gedruckten deutschen Bibelübersetzung Martin Luthers, der zur rechten Zeit am rechten Ort war, Kommunikation über den Glaubensstreit, Hetze, Propaganda mit Einblatt-Flugblättern fürs ganze Volk - Mittelalter ade, Neuzeit komm her mit der Reformation. Wie heute auf Facebook gibt es damals eine erstaunliche Freiheit der Meinungsäußerung – ganz ungestraft. Die Lust an der Diskussion per Bild und Schrift ist groß.
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Hier zum Beispiel verschmilzt ein gräßlich gefiedertes Wesen mit Bauchfratze fast unlösbar mit einem Mönch, beide werden zu einem einzigen zweiköpfigen Monstrum. Der Teufel benutzt den Mönchskopf als Luftblase einer Sackpfeife, das Anblasrohr führt durchs rechte Ohr, die Nase wird zur Spielpfeife verzerrt.
Bilder haben ja auch immer eine Bedeutungsebene, und der Dudelsack steht mit seinem weiteren Namen „Bock“ auch für den Teufel und wird mit einer der sieben Todsünden in Verbindung gebracht, der Maßlosigkeit und Begierde – er ist ein beliebtes Volksinstrument, das auf Festveranstaltungen jeglicher Art zum Einsatz kam.
Diese eindrucksvolle Frühform der physiognomischen Karrikatur –der Holzschnitt von Erhard Schön ist entstanden 1530 - kann interessanterweise mehrdeutig gelesen werden – zum einen als Verspottung des altkichlichen Mönchswesens, zum anderen besonders wegen der Ähnlichkeit der Person als bösartige Luther-Karrikatur.
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Bildpolemik gegen die römische Kirche ist durchaus unterhaltsam fürs Volk, das die Hauptvertreter gut kennt: Auf einer Loggia in kostbarer Architektur des Vatikans sind die bedeutsamsten Gegner Luthers zur Zeit des römischen Prozesses 1521 dargestellt, aber alle sind verhöhnt mit Tiermasken, die sie statt der Köpfe tragen. Spottverse unter den Personen beschäftigen sich mit den Fehlbarkeiten ihrer Persönlichkeit: Zentral mit dem Kreuzesstab sehen wir Papst Leo, er trägt den Löwenkopf. Er lockt Johannes Eck, Schweinskopf geschmückt, mit Geld und Kardinalshut, wenn dieser Luther zu Fall bringt. Symbolisch überreicht er ihm eine Münze, wie in einem der mittelalterlichen Lehnsbilder. Das Geschehen wir attestiert vom Franziskaner Thomas Murner als Kater Murr, Hieronimus Emser als Bock und Johannes Lemp als Hund. Die tierischen Metamorphosen deuten nicht nur auf deren Eigenschaften hin, sondern sind als Entlarvung eine tiefgreifende Beleidigung: Tiere können nach allgemeiner Auffassung nicht an Gott glauben - also wird den Verwandelten Gottlosigkeit attestiert.
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Die papsttreue Seite ist aber auch nicht faul in ihren Schmähblättern.
Hier wird die Vielköpfigkeit, die unheilbringende Hydra der antiken Sage, aber auch der siebenköpfige Drache aus der biblischen Apokalypse des Johannes zitiert, als Antwort aufgegriffen und auf Martin Luther projeziert. Hans Brosamer hat hier Luther als Irrlehrer mit zahlreichen Widersprüchen dargestellt, passend zur Streitschrift von Johannes Cochlaeus von 1529. Der übergroße Mönchskörper mit dem klitzekleinen Buch hat 7 verschiedene Gesichter: der Doktor mit Hut, der altkirchliche Heilige, ein Türkenkopf, der Luther als Ungläubigen meint, als Ecclesiast, also Kirchenlehrer, als Schwärmer von Wespen umnebelter, als Visitierer, der den Papst auf seine Fehler hinweist und schließlich als Barrabas, der Mörder, den die Juden statt Jesus begnadigt sehen wollten. Der ist hier als Faun mit Keule dargestellt, eine Anspielung auf die Beschuldigung, Anstifter zu den Bauernkriegen zu sein.
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Und in diesem zeitgenössischen Blatt zeigt sich die durchaus durch Luther und seine Schrift in Gang gesetzte Emanzipation der Frau: die Ehemänner reiben sich im Bauernkrieg auf, die starken Frauen, mit ihren bäuerlichen Arbeitsgeräten bewaffnet, vertreiben den altkirchlichen Klerus, der ihrer Meinung nach Grund für die Misere ist. Bischöfe, Kardinäle – egal, es gibt kein Pardon. Dreschflegel, Hacken, Gabeln, Stöcke, Reisigbündel und Wassergüsse kommen zu Einsatz, und die niedlichen engelsgleichen Bauernkinder greifen zu den Pflastersteinen.
Facebook, heute wie damals: erst kommt das Lachen, dann bleibt es uns im Halse stecken.
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Haben Sie auch alle Ihren Löffel heute Abend zum Mahl mitgebracht?
Im 16. Jh war das üblich, wenn man eingeladen war.
In der unruhigen, von Glaubenskämpfen erschütterten Zeit der Renaissance, der Wiedergeburt antiker Maßstäbe und Wiederbesinnung auf den Menschen und das Hier und jetzt des Lebens, wird nämlich auch kräftig gefeiert.
Der flämische Maler Pieter Breughel (1525-1569) hat sich häufig als Bauer verkleidet unter Hochzeitsgesellschaften geschmuggelt, Geschenke mitgebracht und Studien betrieben, sich köstlich am lauten, sprühenden Leben erfreut und das einfache menschliche Verhalten in seinen Bildern wieder gegeben.
Ein bißchen biblische Botschaft ist aber auch immer mit dabei:
Auf diesem berühmten Bild „Buurenbruiloft“ (1568) erinnert ein Mundschenk im Vordergrund an die Hochzeit zu Kana.
Garben sind an der Lehmwand der Scheune zum Andreaskreuz gebunden, die spitzen Zinken der Harke erinnern an Marterwerkzeug.
Die zeitgenössischen Betrachter waren durchaus in der Lage, solche Hinweise zu lesen. Kulturgeschichtlich ist das Bild ein Schatz, wir erfahren sehr viel, über die Stellung der Braut, und des Bräutigams, die Rangordnung der Eingeladenen, was es zu Essen gibt und wie es präsentiert wird.
Und das schönste ist, den Maler bei einem Fehler ertappen zu können: das berühmte dritte Bein des Breiträgers hat Kunstgeschichte geschrieben.
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Falsch verstandener Bildersturm in protestantischen Lagern. Luther ist entsetzt, daß sogar sein Universitätskollege Karlstadt die Marienkirche in Wittenberg plündert und die heiligen Bildwerke zerstört.
Nach Luthers Rückkehr von der Wartburg 1522 beruhigt sich die Lage, in vielen Predigten prangert Luther nur die götzenhafte Anbetung von Bildwerken an, aber nicht die mögliche Hilfe geistlicher Bilder zur Meditation. Mit seinem Freund, dem Hofmaler Lucas Cranach, entwickelt er die Idee eines protestantischen Altars. “Wer Lust hätte, Tafeln auf dem Altar malen zu lassen, der soll lassen das Abendmahl malen“. Erst 1547, 1 Jahr nach Luthers Tod, wird der neue Reformationsaltar für die Stadtkirche in Wittenberg eingeweiht. Das steht es gerade nicht gut für die protestantische Sache – am gleichen Tag geht in der Schlacht von Mühlberg der Schmalkaldische Krieg verloren, der Kaiser triumphiert.
Der dreiflügelige Altar wird bekrönt von einer Schrifttafel mit dem Bibelzitat aus 1.Kor3.11
„Einen anderen Grund kann niemand legen, außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus“,
Cranach vermittelt Wort und Bild in diesem Altar im reformatorischen Sinn; er benutzt die überlieferte Drei-Flügel-Form und macht aus dem traditionellen Kultbild ein erinnerndes Lehrbild, das mit den Darstellungen auf den einzelnen Flügeln auch zum biblischen und weltlichen Erzählbild wird.
Die Mitteltafel mit dem Abendmahl wird flankiert von Taufe und Ohrenbeichte, in der Predella predigt Luther der aufmerksamen Gemeinde, worum es geht ist klar: allein um Jesus Christus, der als Vision im Mittelpunkt erscheint.
Cranach hat mit diesem Altar auch ein Freundschaftswerk gemalt. Das Kind wird von Erasmus von Rotterdam getauft, Cranach hält das Tauftuch, Johann Friedrich der Großmütige ist Pate; am runden Abendmahlstisch (übrigens ein häufiges Motiv der frühen armenischen Kirche) läßt sich Luther als Junker Jörg vom Mundschenk Lucas Cranach d. Jüngeren bedienen, Hans Lufft, der Wittenberger Buchdrucker wendet sich uns zu.
Judas im gelben Gewand wird als ausgegrenzter Jude dargestellt, Christus reicht ihm den Bissen zum Mund, an der Seite klimpert der Münzenbeutel. Bugenhagen, Luthers Nachfolger, nimmt die Beichte ab, er hat auch die Schlüsselgewalt zur Vergebung oder Verwerfung in Händen, und auf dem Predella-Bild sind unter den Gläubigen Cranach, Katharina v. Bora und der kleine Hans Luther – wahrscheinlich auch die verstorbene Tochter Magdalena.
Viel wäre noch zu sagen, gerade zu diesem Altar, der praktisch so bekannt ist, daß er auch als Zitat verwendet werden kan
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Werner Tübke, Leipziger Hochschullehrer und Mitglied der berühmten „Neuen Leipziger Schule“ der DDR, hat zum Gedenken an das Scheitern der Bauernkriege im Jahr 1525 auf dem Frankenhäuser Berg den Regierungsauftrag erhalten, ein monumentales Panoramabild zu erstellen, das vor Ort in einem eigens errichteten Rundbau im September 1989 eröffnet wurde. Und kurz darauf reiht sich dann auch die DDR in die Geschichte ein. Dieses Bild, das der nicht systemtreue Tübke in 13 Jahren schuf, erhält viele Zitate und Hinweise, die dem DDR-Regime nicht suspekt vorkamen.
Klar steht hier im Ausschnitt der geschlagene Thomas Müntzer in der Mittelachse, aber folgt man der Linie zum Bildrand,
dann erkennt man das Cranach Zitat: der Taufbrunnen, geschmückt mit Luther-Rosen und einem frischen Granatapfel als Paradies-Zeichen, wird umstanden von den Zeugen der Zeit, Adam Krafft, Tilman Riemenschneider, Dürer, Luther, Cranach, Sebastian Brant, Philip Melanchton und Erasmus von Rotterdam
Sie alle forderten mit tiefem Glauben und ausgeprägtem Humanismus in Wort und Kunst eine Welt der freien Entscheidungsmöglichkeiten und des Friedens.
Bild9+10
Heute freuen wir uns über intensive Annäherungen der Konfessionen, wie uns die keineswegs mehr polemischen, sondern liebenswert-versöhnlichen Karrikaturen zeigen.
Allerdings denke ich intensiv über die Funktion des schwarzen Canus Domini nach, der die Schäfchen zusammentreibt...
Und natürlich eint die Christenheit das Wort der Bibel.
Bild, Musik und vieles andere, was Luther einst angestoßen hat, gehören aber auch mit in unsere Zeit.
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