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Bericht vom 03.09.2015

Werke von EDITHA Pröbstle

Ausstellungseröffnung „Handwerk ist Kultur und schafft Kultur“

© Jutta de Vries

Ausstellungseröffnung „Handwerk ist Kultur und schafft Kultur“
Werke von EDITHA Pröbstle
In der Galerie der Handwerkskammer Hamburg
Gesamtverband des Hamburger Handwerks
Mittwoch, . September 2015-09-03
©Jutta de Vries


Sehr geehrter Herr Präsident,
meine sehr geehrten Herren und Damen, 


das ist doch mal eine zündende Idee, die Ankündigung eines Kunstpreis-Projekts einzubetten in die Ausstellung einer  vielfach preisgekrönten Künstlerin – eine Ausstellung, die junge KünstlerInnen anregen, anspornen kann und soll und die zugleich Maßstäbe setzt.


Die Kunst-Preise der Bildhauerin und Holzschneiderin Editha Pröbstle hier alle aufzuzählen, würde mein Zeitkontingent überschreiten, daher nur ein wichtiges Beispiel, nämlich der Preis  „Sport“  Lotto Toto des Landes  Rheinland-Pfalz von 1989. Fünf der zehn großformatigen Arbeiten sind hier zu sehen. Ihre künstlerische und handwerkliche Aussagekraft und Frische  ist auch heute ungebrochen. 


Jede Kunst ist an eine technische, werkzeugartige Verrichtung gebunden, die Symbiose von Kunst und Handwerk ist bis heute unbestritten. Was Kunst und Handwerk letztlich voneinander unterscheidet, führt zu langen kunstphilosophischen Abhandlungen und soll hier nicht diskutiert werden. Aber bis in die frühe Neuzeit hinein, als Handwerker selbstbewußt begannen, ihre Werke mit ihrem Namen zu signieren und sich dadurch  zu profilieren,  verstand sich jeder Künstler als Handwerker und war dankbar für den göttlichen Funken der Inspiration, die zündende Idee, die Gefühle und Gedanken und das Vermögen, die Befindlichkeit seiner Epoche innovativ darzustellen.


EDITHA ist eine vielseitige Künstlerin. Sie kommt von der Bildhauerei – Studium in Stuttgart und Düsseldorf – hat sich aber vor allem dem Holzschnitt verschrieben, jener faszinierenden handwerklichen Technik, die wohl als Stempeldruck so alt sein wird wie die Menschheit selbst.  Seit vielen Jahren arbeitet die Künstlerin mit  diesem Hochdruckverfahren. Ihre Meisterschaft reichte bald so weit, daß sie – bereits 1981 –  als erste Frau in die Holzschneider-Vereinigung „Xylon“ berufen wurde. 


Sie experimentiert, reizt das verlorene Verfahren aus,  macht Pigment-Versuche, um die  Farbigkeit zu  samtigem Leuchten zu bringen, spielt mit den Möglichkeiten der Collage und zerbricht schließlich das  zweidimensionale Bild in der gedanklichen Nachfolge von Picasso und kommt so in die Dreidimensionalität der Klappraden-Skulptur. Dieses modulare Stecksystem ist flexibel und auch ganz unterschiedlich zu handhaben – die Skulpturen geraten  in Bewegung.  Und nicht nur die Skulpturen, sondern auch die Besucher von Ausstellungen, die EDITHA oft auffordert, eine Klapprade selbst zusammenzusetzen, geraten in eine spezielle Dynamik von Kommunikation. Gar nicht so einfach!
„Klapprade“ – das ist eine eingetragene Wortfindung von EDITHA, und wie Sie bestimmt schon an den verschiedenen Werktiteln erkannt haben, ist EDITHA  eine begnadete poetische Wortschöpferin. Neben Kunst hat sie ja auch Germanistik studiert, ihre Liebe gilt ebenfalls der Illustration von Märchen und Gedichten. Sie spielt mit Worten wie mit den Teilen der Klapprade beim Zusammensetzen, und wenn wir Bildtitel wie „storchschnabeliges Streckenstück“ oder „flinkflitzender Fußgänger mit eigenem Zebrastreifen“, „keckes Kopfsteherle“ oder „Blasender Berthold“ lesen, schmunzeln wir über die zungenbrecherischen Alliterationen und gehen mit noch heitererem Blick an die Kunstwerke heran. 
Und diese Arbeiten, die sind wahre Wunderwerke an Mehrdimensionalität und dennoch nicht gegenstandsfrei. Niemand wird hilflos davor stehen müssen, jeder kann in seinen ureigenen Dialog mit dem Bild treten. Editha fokussiert das Hauptthema, bringt es auf das Wesentliche der Aussage und erzählt zugleich eine lange Geschichte in vielen Einzelheiten und andeutenden Kürzeln, die das Betrachten der Arbeiten zu einem spannenden Prozess des Entschlüsselns und Verknüpfens  macht, eine Reise in Raum und Zeit.


Seit einiger Zeit entstehen geschlossenere Skulpturen mit beweglichen Anteilen, die  KUULlus. EDITHA knüpft hier gedanklich an ihre frühen Bronze-Skulpturen an. Die KUULlus  können in große Höhen gebaut werden und beherrschen dann den Raum, es gibt sie aber auch in Handschmeichler-Größen, dann sind sie kugelnd, kreisend, wippend, immer in Bewegung, beinahe kinetisch. Und je nach Material, leuchten sie von innen und betonen ihre Oberflächen aus Holzschnitt-Collagen, die durch  einen gezielten  Einsatz der grafischen Mittel und farbigen Kontraste die voluminösen Körper visuell modellieren und ihnen eine individuelle Sprache verleihen. 


Trotz der Vielfalt der Darstellungsformen bleibt der Holzschnitt  das verbindende Element in dieser Ausstellung. Er ist die Basis, das Handwerk für den künstlerischen  Ausdruck aller Arbeiten. Neben den raumgreifenden plastischen Arbeiten ist  die große Holzschnittfolge der „Handwerkskiste“ hier an diesem Ort der Handwerkskammer Hamburg genau richtig – sie gibt dem kunstvollen Treppenhaus den passenden inhaltlichen Rahmen.


Der spektakuläre Zyklus von 1995 hält mit 101 Blättern zur künstlerischen Darstellung handwerklicher Tätigkeiten  den Rekord der Welt, ist als Wanderausstellung schon vielfach unterwegs gewesen, und hier in Hamburg können nun immerhin 70 Arbeiten gezeigt werden.  Da sind sie, die typischen Handgriffe auch ungewöhnlicher oder  fast ausgestorbener Berufe wie etwa der der Korsettmacherin, und aus der langen Reihe greife ich mal heraus den Optiker, Schiffsbauer, Dachdecker, Mechaniker, Seiler, Heizungsbauer, Hörgeräteakustiker oder Schweißer, und immer gibt es die weibliche Form dazu, und immer wieder entdecken wir Frauendarstellungen , die wie selbstverständlich tradierte Männerberufe ausüben – ich mag besonders die blonde Schornsteinfegerin. Heute ist die Gender-Debatte ja wesentlich unaufgeregter geworden, und immer mehr junge Frauen streben in handwerkliche Berufe – Tradition ist ja auch eine anspruchsvolle Aufgabe, die immer wieder neu definiert werden sollte. EDITHAs Traum vor 20 Jahren wird tatsächlich langsam Wirklichkeit.


Und meine vorgegebene Redezeit geht dem Ende zu, ich könnte noch viele Stunden über Edithas Kunst sprechen, die zyklischen Holzschnittfolgen zur Erfindung des Rades, zu den Bibelfrauen, dem Frauenalphabet, zur Literatur, zu den Techniken und, und, und...
Aber zum Glück ist die Künstlerin anwesend, und ich weiß, daß sie immer glücklich über ein Gespräch mit Ihnen, den wichtigen KunstbetrachterInnen, ist.


Der Ausstellung wünsche ich viele  engagierte, handwerklich versierte BesucherInnen!


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