Aktuell

News-Archiv
Zurück zur Übersicht
Bericht vom 01.12.2013

KVG STADE KUNSTPROJEKT

Einführung zur Ausstellung 14 am 1. Advent, 1. Dezember 2013

© Jutta de Vries

KVG STADE KUNSTPROJEKT 
Einführung zur Ausstellung 14 
1. Advent, 1. Dezember 2013 
©Jutta de Vries




Sehr geehrter Herr Pohl, liebe Katharina Braun-Müller als  Spitzen-Koordinatorin des Projekts, liebe Künstlerinnen und Künstler, sehr geehrte Herren und Damen!


Heute ist der 1. Adventssonntag, christlich übersetzt heißt das, der erste von 24 Tagen, in denen die Gläubigen fastend, betend, meditierend und voller Freude dem Ereignis der Geburt Jesu „entgegen gehen“ sollen  -  advenite. Im allgemeinen ist diese Bedeutung heute so ein bißchen  verblaßt, vor allem die Sache mit dem Fasten in der Vorweihnachtszeit, aber was von vielen Menschen bestimmt geteilt wird, das ist eine herzliche Vorfreude auf das Fest.


Und es soll Menschen geben, vor allem im Raum Stade, die eine starke  freudige Erwartungshaltung sogar schon lange vor dem 1. Advent nicht verbergen können: das sind nämlich alle diejenigen, denen Anfang November die Einladung zur KVG-Kunstausstellung ins Haus flattert. 
Denn, meine sehr geehrten Herren und Damen, dies ist keine Ausstellung, dies ist ein Ereignis!
Ein Ereignis, das in seiner nun 14. Wiederkehr immer am 1. Advent jeden Jahres vieles in sich vereint.
Erstens: 
Ganz Viel Kunst, und zwar von Künstlerinnen und Künstlern aus der Region
Zweitens: 
es werden Kunst-Gäste geladen, um auch über den Tellerrand zu blicken, diesmal sogar ziemlich weit von Bremen bis nach NordRhein-Westfalen;
Drittens: 
Es spielt ein pädagogisches Moment hinein, insofern als Schüler sich mit ihren Ideen zur Ausgestaltung des Kunstbusses präsentieren, ihre Kunst fährt Monat für Monat mit im Stadtgebiet zur Freude der Fahrgäste. Und die Jungen, die sind dann praktisch die Kunstinteressierten von Morgen, im glücklichsten Fall schlagen sie auch selbst den Weg zur Kunst ein, auf den sie schon früh geführt wurden. Diesmal sind bereits arrivierte „Schüler“ auf dem gradus ad parnassum, nämlich StudentInnen der Hochschule der Künste im Sozialen in Ottersberg, sie bespielen den Bus und auch die kleine Halle.
Und Viertens:
(Ja, ja, im Advent sind aller guten Dinge vier, nicht drei, denken Sie mal an die vier Advents-Sonntage, die vier Kerzen, die mindestens vier Betriebs-Club-Chor-Sport-Weihnachtsfeiern usw...)
Also viertens: 
Als singuläre Schau mit Alleinstellungsmerkmal an nur einem einzigen Tag müssen wir da gewesen sein, sonst ist eben alles vorbei, und das Gefühl, ganz viel verpaßt zu haben nagt bis zum nächsten Jahr ganz tief im Innern. Denn die einmalige Kunst- und Betrachter-Performance mit Klang-Collage, dieses Jahr mit den herausragenden Kollegen Köttgen und Feindt, diese Performance, in der alle mit allen interagieren, im Gespräch, im Biß ins Schmalzbrot, beim kräftigen Schluck oder dem Täßchen Kaffee, beim begutachten der neuen Kunstwerke oder  auf der Meta-Ebene beim betrachten der herrlichen allgemeinen Interaktion – sozialer kann ein Kunst-Event gar nicht sein, und damit winke ich Herrn Beuys ein bißchen zu. Und auch Herrn Pohl, denn er und seine KVG geben jedes Jahr auch KünstlerInnen eine Plattform, und so wird das Ganze zu einer unmittelbaren win-win-win-Situation.


Die Kunst zieht sich natürlich als Roter Faden durchs Geschehen, und ich möchte Ihnen jetzt die heutigen KünstlerInnen gern vorstellen, das mache ich in der gebotenen Kürze, und damit Sie selbst nachher weiter mit allen ins Gespräch kommen können, erhält jeder von mir so einen Teil des roten Fadens als Wiedererkennungsmarke.


Herbert Eggert aus unserem Nassen Dreieck macht den Anfang. Er hat in den wilden 60er Jahren an der HBK Hamburg bei Grimm und Garve studiert, und seine Neugier auf alle möglichen Techniken und Ausdrucksformen im Bereich von Malerei und Grafik ist ungebrochen. Alle Arbeiten, die er präsentiert, sind aus 2013. Im wahren Schaffensrausch hat er das Thema Maschine und Geometrie in monumentalen und klaren Farb- und Formzusammenhängen enzyklopädisch durchdekliniert, auch die Möglichkeiten des Tablets fordern ihn zu virtuosen Fingerübungen heraus.


Des Rechners wahre Lust genießt auch Pascal Heußner in vollen Zügen. Er ist unser jüngster Künstler, den wir mit Stolz präsentieren, hat er doch als Stader Schüler schon 2006 den Jugendkunstpreis der Stader Stiftung für Kultur gewonnen und ist heute Student an der Kunsthochschule Kassel im Bereich Produkt- und Industriedesign. Er hat so allerhand für uns ausgetüftelt:
Buckminster Fuller mit seinen geodätischen Dreieckskonstruktionen stand Pate für die flexible Dreiecksgestaltung des Trivisiums, die Formstudie „P8“ liefert ein parametrisches, zufallsgeneriertes Design für eine mittels Computerfräse erstellte buntfarbige Kunstform, und sein liebstes Baby ist die mit dem 3D-Drucker erstellte singuläre Skulptur, die sich per Hand so nicht herstellen ließe. Mit dem 3D-Drucker sind auch die Verbindungselemente entstanden, die das paßgenaue Regal halten, und schließlich mußte ja alles irgendwie präsentiert werden, und so hat Pascal noch schnell den Prototyp eines faltbaren und somit leicht in großer Anzahl zu transportierenden Sockels erfunden. 


Minke Havemann ist als Malerin im Landkreis Stade eine feste Größe. Ihre virtuose Technik und die leuchtend eingesetzte Farbigkeit der speziellen Eitempera-Lasuren lassen die Bildideen zu intensiven Erlebnissen werden. Sie gibt einen Themen-Querschnitt  von Landkreis-Stade-Motiven über italienische Architekturen, Porträts, Blüten und Landschaften, die auch mal experimentell ins Relief gehen. Faszinierend sind die hoch artifiziellen, arbeitsaufwendigen, sensibel abstrahierten Schleier-Bilder in perfekter Trompe-l’oeil-Manier, wie sie einst nur die italienischen Renaissance-Künstler konnten.


Mit Annette Reichardt und Stewens Ragone begrüßen wir ein Künstlerduo aus Köln.  
Sie kommen mit Druckgafik und Gemälden. Beide kennen sich schon eine kleine Ewigkeit, haben gemeinsam an der innovativen Braunschweiger HBK studiert und individuelle Künstlerkarrieren gestartet, bevor sie – rein zufällig – vor 6 oder 7 Jahren entdeckten, wie gut die gemeinsame Arbeit am Bild funktioniert. „Ganz unmöglich“ möchte man zuerst sagen, denkt man an den singulären Künstler mit der unverwechselbaren eigenen Handschrift, aber bei Reichardt/Ragone scheint das perfekt zu funktionieren: sie haben für dich den Zeitgeist entdeckt. “Fifty-Fifty“ heißt ihre Devise, wobei beide alles können und machen, was das Bild verlangt: spannende Hintergründe in schönsten informellen Farbverläufen, zuweilen auch Collagen, werden scharf kontrastiert mit fest konturiertem Motiv; dazu gehört ein Riesenfundus an Bildmaterial aus dem prallen Leben, das praktisch zum trivialen Allgemeingut geworden ist: und deshalb schauen wir gar nicht so genau hin, um die spitzfindigen kleinen Veränderungen der gemalten Motive und  den komischen Aspekt, die satirischen Kommentare herauszufiltern. Bei einer solchen eng verzahnten Zusammenarbeit ist ständige Kommunikation wichtig, auch in Findungsprozessen. Gehängt werden die Arbeiten im Block und erweisen sich dadurch besonders als Kaleidoskop der Möglichkeiten, als ein swingendes „Paralleluniversum“, wie Stewens sagt, und es ist ein großes populär-kulturelles Spielfeldraster der Bilderflut und Bilderlust unserer heutigen Überflußgesellschaft von hohem Unterhaltungswert.


Die Halle  teilt heute mit uns auch noch eine Parallelgesellschaft. Klein aber unübersehbar fordert sie unsere Aufmerksamkeit: das sind die Geschöpfe von Holzbildhauerin Sarah Hillebrecht, unserem Gast aus Bremen. Nach ihrer praktischen Ausbildung schloß sich ein Studium an der HdK Bremen im Fach Integriertes Design an. Es folgten Lehraufträge in Bremen, Braunschweig und Kairo, auch Auslandsstipendien. Zu Ausstellungen wird sie im In- und Ausland eingeladen. Sarah Hillebrecht hat ein gesellschaftspolitisch-soziologisches Interesse an ihren Figuren, deren Dasein sie kritisch, aber auch mit mehr oder weniger verstecktem Humor beobachtet. Da gibt es unter anderen die Ab- und Auftaucher, den Selbstverstümmeler, die in den Seilen der  staatlichen Overprotection Hängenden, den Jugendwahn, die Notebookfreaks, ganz zu schweigen von den herrlichen Schoppern, die hier mal endlich keine Umweltprobleme  verursachen. Sarah Hillebrecht interagiert mit dem lebendigen, ökologisch korrekten Naturmaterial Holz auf Augenhöhe, so daß aussagekräftige Werke entstehen. Sie sieht sich als „eine lokale Aktivistin in einer globalisierten Kunstszene“.


Last but not least stelle ich Ihnen die StudentInnen der HKS Otterberg vor, die von Professor Bernd Müller Pflug angeleitet werden:
Carolin Blaas, Laura Brinker, Nora Dilling, Kathrin Ebbing, Linda Günther, Annette Niggemann, Franziska Pohl, Steffi Reuther, Nicol Siegel, Nicole Tews und Tim Weidland.
Gesellschaftliche und kulturelle Identität, Emotionale Kompetenz, Wirkungsweisen von Farbe, Dimensionen von Zeit und Raum, Ideale Wertvorstellungen, Akzeptanz und Ablehnung, das sind die großen sozialen Themen, die uns in den unterschiedlichsten Kunstformen in der kleinen Halle begegnen.
Linda Günther bespielt übrigens als erste den vor der Halle bereit stehenden Kunstbus mit ihren druckgrafischen Porträts.
Und mir bleibt nur noch, Ihnen einen vergnüglichen und nahrhaften Kunstgenuß zu wünschen. 


Zurück zur Übersicht

Zurück zur Übersicht