Bericht vom 01.08.2013
Sommerliche Musiktage Hitzacker 2013 31. Juli: ...nur die Sterne
Liederabend Hanno Müller-Brachmann, András Schiff
© Jutta de Vries
Sommerliche Musiktage Hitzacker 2013
31. August: ...nur die Sterne
Liederabend Hanno Müller-Brachmann, András Schiff
Gern nehmen wir das Sternenzelt zu Hilfe, um unseren Träumen den weiten Raum des Universums zugeben und uns tief in Gedanken eins zu fühlen mit dem Kosmos.
Eine solche Sternstunde erlebte das Festspiel-Publikum im prall gefüllten Verdo am Mittwoch abend, als die beiden Klasse-Musiker Hanno Müller-Brachmann, Bariton, und der exorbitante Pianist András Schiff zum Liederabend auf die Bühne traten. Die Gattung, angeblich als „schwere Kost“ verschrieen, ist auf den Konzertpodien nicht mehr so häufig vertreten; für alle Fans des kammermusikalischen Zusammenklangs von Dichtung und Musik also ein besonders funkelnder Stern am Sehnsuchtshimmel.
Das kluge Programm durchzog eine Auswahl aus Schumanns „Myrthen“, jener Brautgabe an Clara, im Liederjahr 1840 auf Texte verschiedener Dichter entstanden und als hoffnungsfreudige, zukunftsselige Tagträumerei zu verstehen;
Der Zyklus „Die Stimmen“ des ungarischen Dirigenten und Komponisten Antál Doráti auf Texte von Rilke sind eine faszinierende Entdeckung: sowohl die Rilke-Dichtung als auch die Musik sind hier ganz unbekannt und öffneten ungeahnte Räume zu einer Sozialethik des Expressionisten, die von Dorátis Komposition mit zerrissenen, aufgebrochenen Akkorden und melodischen Fragmenten zu höchst verzweifelten Tagträumen verwandelt werden.
Schlüssig am Schluß des Programms die gewichtigen „Lieder und Tänze des Todes“ von Modest Mussorgsky auf Texte seines Intimus Graf Golenishchev-Kutuzov, die sich in Anlehnung an die mittelalterliche Totentanz-Idee dialogisch mit dem Verhältnis des personifizierten Todes und seinen Opfern beschäftigt – wenn man so will, letzte aufbäumende Fieberphantasien der Sterbenden.
Müller Brachmann, der in den letzten Jahren viel und großartig Oper gesungen hat, war in diesem großen, dramaturgisch gedachten und auf große Stimme ausgelegten Werk die Idealbesetzung, aufrüttelnde Gestaltung folgte dem stimmlichen Potenzial, das alles hat, Fülle, Geschmeidigkeit, Wohlklang und Sprachwirksamkeit. Während Schumann im mezzavoce der zarten Passagen die vokale Einheit vermissen ließ, passte genau dieses Stilmittel einer gewissen gläsernen Enge zu den herben, zuweilen eiskalten Klängen der „Stimmen“ von Doráti. Hier gelang Müller-Brachmann eine überzeugende Interpretation.
Im Zusammenklang mit András Schiff, dem großen Solisten, der als Klavierpartner genau die sensible Mitte fand, die den Sänger einerseits stützt und beflügelt und die andererseits die Instrumentallinie als Kommentar und weiter gefasste Profilierung des Wortes versteht, wurde äußerste Sinnhaftigkeit erreicht.
Eine Sternstude.
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