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Bericht vom 31.07.2013

Es darf im Schlummer geträumt werden? Das haben wir uns in den kühnsten Träumen nicht träumen lassen!

Sommerliche Musiktage Hitzacker Montag, 29. + Dienstag 30. Juli 2013

© Jutta de Vries

Sommerliche Musiktage Hitzacker 
Montag, 29. + Dienstag 30. Juli 2013 
©Jutta de Vries


Es darf im Schlummer geträumt werden?
Das haben wir uns in den kühnsten Träumen nicht träumen lassen!


Der Montag: ganz im Zeichen des Streichquartetts, dieser herrlichen, harmonisch vollkommenen musikalischen Gattung, der Königsdisziplin der Kammermusik.
Königlich auch die Interpreten in Hitzacker, das international hoch gelobte Auryn-Quartett, mit  Matthias Lingenfelder und Jens Oppermann (Violine), Andreas Arndt (Violoncello) und diesmal für den erkrankten Steward Eaton mit Matthias Buchholz an der Viola, der das Profil des Quartetts noch akzentuieren konnte. 
Nach einem verschenkten Kritiker-Gespräch über Aufnahmen des Debussy-Quartetts am Nachmittag in der Hörerakademie legten die Auryns am Abend so richtig los. Haydn, der ja auch historisch am Begin der Gattung Streichquartett steht, machte mit dem Quartett F-Dur op 50 Nr. 5 den Anfang. Für die Einspielung dieses und sämtlicher anderer Haydn-Quartette hatte das Auryn-Quartett 2011 den Preis der Deutschen Schallplattenkritik erhalten und mochte sich darauf nun wohl gern ausruhen. Natürlich ist die Technik perfekt, keine Frage, aber a bissel mehr Delicatesse hätt’s schon sein dürfen. Der (nachträgliche) Titel „Der Traum“ wäre bei dieser Interpretation bestimmt niemandem in den Sinn gekommen.


Bei Antonin Dvoráks Auswahl  dem Alterswerk „Zypressen“, seiner rückbesinnenden Quartett-Bearbeitung früher Liebeslieder, ist es nur der Komponist, der sich zurück träumt in seine frühe Liebe.


Daß perfektes Zusammenspiel, perfekte Intonation, perfektes Timing und grandiose Virtuosität das Publikum ungeachtet des unmöglichen Schlummertraums zu Beifallsstürmen hinreißt, war auch an diesem Abend nach dem singulären, frühen Debussy-Quartett g-moll zu beobachten. Auryn spielte vor allem „avec passion et très mouvementé“ – mit großer Bewegung und Leidenschaft bis hin zum Atemlosen – dabei verliert sich dann schon mal die Reflexion.


Der Dienstag - welch ein Abend!
In unseren kühnsten Träumen hätten wir nicht erwartet, dass es je bei den Sommerlichen Buh-Rufe geben könnte. Unschuldiger Auslöser war der Deutsch-Franzose Marc Andre, 1964 geborener diesjähriger „Composer in Residence“ der Sommerlichen Musiktage. 
Sein Stück „iv2“ für Cello solo, komponiert 2007, heizte die Diskutierfreudigkeit des Publikums enorm an, ein Publikum, dem von Carolin Widmann an anderer Stelle großes Einfühlungsvermögen, Sachkenntnis, Toleranz und Offenheit bescheinigt worden war.


Flurin Cuonz vollbrachte auf seinem Cello ein wahres Wunderwerk von Artikulation aller nur denkbaren  technischen Möglichkeiten, um Andres Partitur  von Klang, Nicht-Klang und Geräusch bis hin zur physischen Unhörbarkeit in eine innere individuelle und auch unerträgliche Welt zu übertragen. Der über fast neun Minuten dauernde fragmentarische Parcours aus akademischen und höchst emotionalen Komponenten verstörte das sehr aufmerksame Publikum zutiefst. Wohl auch, weil viele ältere Zuhörer einfach gar nichts hören konnten und das Stück als Pantomime erfuhren. 


Ein Stück also als intensiver Kontrapunkt zu den wesentlich expressiven Werken des Abends, die wegen ihrer außergewöhnlichen, wechselnden Besetzungen mit Streichern und Holzbläsern eher selten life zu erleben sind. Das ist das Glück dieses Festivals, hier werden auch kühnste Träume wahr, vor allem wenn so hochkarätig besetzt ist mit Frithjof-Martin Grabner, Kontrabaß – Christian Hommel, Oboe – Jörg Widmann, Klarinette – Diego Chenna, Fagott - Marie-Luise Neunecker, Horn – Konstantin Lifschitz, Klavier und dem Auryn-Quartett.


So erheiterte neben dem späten Janacek-Concertino und Prokofiews Quintett op 39 das köstliche Bläsertrio von Sandor Veress. Große Spielfreude bei allen Beteiligten!,  


Und zum Beschluß endlich einmal wieder  zu hören:
das großartige Septett Es-Dur, ein frühes, Sturm- und Drang-geprägtes Meisterwerk von Ludwig van Beethoven. Breit angelegt für Bläser- und Streichergruppen, wurde  in der Interpretation der Top-Musiker daraus die schönste Konversation unter Freunden, die es an schwelgerischer Klangsüße nicht fehlen ließ.


Kühnste Träume wurden wahr in einem Konzert von allerdings himmlischer Länge.


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