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Bericht vom 31.07.2016

Sommerliche Musiktage Hitzacker – Gedanken, Spots, Anmerkungen – ein Diary vom 25. Juli bis zum 2. August 2015

25.7. Eröffnungstag

© Jutta de Vries



 Sommerliche Musiktage Hitzacker – Gedanken, Spots, Anmerkungen – ein Diary vom 25. Juli bis zum 2. August 2015


25.7. Eröffnungstag


Wie viele Särge der Tischler Niebuhr in seiner Sargtischlerei gleich unten am Elbufer, hinter der St. Johannes-Kirche, im Jahr 1946 wohl gezimmert haben mag? Während der gesamten Kriegszeit und auch in den ersten Jahren danach sicher mehr als zuvor und mehr als ihm lieb war – das Elend der Zeit, späte Folgen an der Tagesordnung. 
Das geht mir so durch den Kopf, während ich, 70 Jahre später und spät in der Nacht in der jetzt zum Kulturzentrum umgebauten Sargtischlerei im urigen Ambiente der Late Night Lounge, eng mit vielen Gästen zusammen gerückt, mich inspirieren lassen von einem weiten bunten Mosaik unterschiedlichster Musikstücke in unterschiedlichster Besetzung, Locker agieren die Musiker und Musikerinnen miteinander, manches ist vorher nur kurz ansgespielt und dann zur Aufführung gekommen – die ganze Bandbreite von Scarlatti über Händel, Chopin, Respighi, Ravel und Poulenc bis  zu den Neutönern Schönberg und Berio, auch Aktuelles von Bryce Dessner und Márton Illés ist dabei. So  ungefähr, sagt die künstlerische Leiterin Carolin Widmann, stellt sie sich die ersten Zusammenkünfte der Sommerlichen Musiktage vor. Deshalb hat sie diese spontane Mitmach-Aktion der Lounge angeregt, und lustvoll spielte und sang es  vom Feinsten bis in die Nacht hinein – obwohl schon ein Festival-Eröffnungstag hinter den Musikern lag. Eindeutiger Fall von erhöhtem Suchtpotenzial, auch beim Publikum!
Und das dauert schon lange, nämlich  vor 70 Jahren, im Sommer 1946, wurde hier das erste Musik-Festival in Deutschland, gegründet, von Einheimischen und Flüchtlingen, Profis und Laien, die das Grauen des Krieges tapfer überwinden wollten: mit den Mitteln der Musik. Und die Verbindung von Laien und Profis hat sich als gutes Modell erwiesen, es wird bis heute mit Erfolg in der Festival-Leitung praktiziert.


Das wurde ganz deutlich bei der Eröffnungsveranstaltung, mit einem flott gemachten Film zu Geschichte und Gegenwart der Musiktage, die von der Gesellschaft der Freunde der SMH getragen wird. Sie bestimmt jeweils die künstlerische Leitung. Die charismatische Geigerin Carolin Widmann hat in den vergangenen drei Jahren spannende Programme präsentiert, und diesmal gestaltet sie „Das Fest“  als „Opus 70“. Das Feiern ging auch gleich ungewöhnlich los, ohne langweilige, austauschbare Reden aller Art, gleich voll hinein in die Musik: der Schweizer Maurice Steger führte mit seinen Blockflöten barocke Freudentänze auf, Witz und Pep inklusive. Die Bezeichnung „technische Brillanz“ ist hier noch weit untertrieben. Ein toller Teamplayer ist er auch – mit seinem Cembalo-Partner Naoki Kitaya und im Duo mit Carolin Widmann war Symbiose das Zauberwort.


Auch im großen Abend-Festkonzert ist Carolin Widmann mit ihrer Barock-Geige wieder dabei. Sie zu hören, macht immer glücklich, vor allem, wenn so fulminante Musiker wie  der Oboist und Komponist Heinz Holliger und das junge Spitzen-Ensemble Resonanz mit dabei sind. Resonanzen – was erinnert heute an die „Sommerlichen“ von einst? Wo sind die Wurzeln? Etwa bei Johann Sebastian Bach? Was klingt in der Musik von heute , etwa in den Werken von Holliger oder seinem Lehrer Sándor Veress, nach, worauf verweist Witold Lutoslawski?
Interessante Denkanstöße, die doch immer wieder zu den Vorbildern führen – ohne Geschichte sind wir nicht denkbar.






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