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Bericht vom 17.12.2015

Jauchzet, frohlocket!

Weihnachtsoratorium 1-6 von Johann Sebastian Bach in der Stader Wilhadi-Kirche

© Jutta de Vries

Jauchzet, frohlocket!
Weihnachtsoratorium 1-6 von Johann Sebastian Bach  in der Stader Wilhadi-Kirche


Dieses Jahr noch kein WO gehabt? Das gibt garantiert Entzugserscheinungen!
Denn wie kaum eine andere Musik wird Bachs wunderbares sechsteiliges Kantatenwerk für die Feier- und Sonntage der Weihnachtszeit in einem Atemzug  mit dem großen Fest der Christenheit verbunden. 
Und wenn die Stadtkantorei Stade das Werk in unregelmäßigen Abständen wieder auflegt, bleibt in der geräumigen gotischen Halle der Wilhadi-Kirche kein Platz frei.
Dieses Jahr am 3. Adventssonntag hatte Kirchenmusikdirektor Hauke Ramm sogar das Wagnis wiederholt, alle 6 Teile an einem langen Abend vorzutragen – gewissermaßen Bach satt.  Diese Praxis ist wirklich eine Diskussion wert. Trotz der allgemein üblichen Zusammenfassung  in zwei Teilen, einer vor  Weihnachten und einer nach Neujahr, wird sie durchaus von vielen Kantoreien praktiziert, denn  neben der Kostenfrage steht  auch unser aktuelles Reiseverhalten in den Ferien im Raum – wer singt da noch  beispielsweise am Sonntag nach Neujahr  mit, wer hört zu? Außerdem scheint der christliche Zusammenhang mit den einzelnen Festtagen der Weihnachtszeit weitgehend verloren, das Werk wird als unabhängiges Gesamtkunstwerk verstanden. 
Und andererseits: Bringt man das ganze über dreistündige Werk, wie steht es mit der Kraft und Aufmerksamkeit von Ausführenden und Zuhörern auf unergonomischen Kirchenbänken?
In Stade jedenfalls hatten sich die Reihen nach der Pause deutlich gelichtet, auch die örtliche Pressevertreterin war davon geeilt. Schade – die Kantaten 4-6  sind künstlerisch so attraktiv wie die ersten drei, und vor allem die erfrischend spitzbübische Kantate vier mit ihrer Sopran-Echo-Arie hat es in sich – nie kommen die Echos, das instrumentale wie das Sopran-Echo, an den Stellen, wo man sie erwarten würde. Ich kann mir gut vorstellen, wie der Kantor Bach nach dem weihnachtlichen Schlendrian seine Jungs mit dieser Arie humorvoll wieder „eingenordet“ hat... Und großartig haben Cornelia Samuelis und ihr „Echo“ Annegret Schönbeck zusammen mit den Oboen und dem begleitenden Barockorchester Hamburg  diese Arie interpretiert, mit Witz, mit Sanges- und Spielfreude, in musikalischer Bestform. Neu im Solistenensemble mit Cornelia Samuelis, Nicole Pieper und Jörg Mammel war diesmal der vielseitige Bass Wilhelm Schwinghammer. Gerade brilliert er auf der Hamburger Opernbühne als Graf Almaviva im Mozarts Nozze di Figaro, und in Stade singt er Bach stilgerecht,  stimmschön, Text und Musik intelligent gestaltend; ihm hört man zu, er hat etwas zu sagen. In den Ensemblestellen  gibt er  kaum merklich  Sicherheit.  Die weiteren Höhepunkte des Abends sind gar nicht zu zählen – insgesamt  war die Aufführung stringent, auf großem Bogen getragen und dadurch besonders intensiv in  der Botschaft.
Alle haben in besonderer Harmonie daran mitgewirkt: das wohl disponierte Barockorchester Hamburg mit den geläufigen Solisten, besonders in der Holzbläsergruppe, der Continuogruppe mit Martin Böcker am Positiv, die aus dem Hintergrund „die ganze Welt“ zusammenhält, und natürlich die Stadtkantorei Stade, von Kirchenmusikdirektor Haucke Ramm so sorgfältig vorbereitet, daß vom Blatt losgelöst ganz frei musiziert werden konnte.
Der voluminöse Chor  war großartig disponiert, glänzend mit vielen jungen Stimmen poliert - wenn auch das Gleichgewicht zwischen Männer- und Frauenstimmen noch überdacht werden sollte. Hauke Ramm dirigiert  einen beweglichen, lebendigen und manchmal eilenden Stil. Enthusiasmus und Emotionalität prägte die gesamte überschäumende Aufführung, da fällt die Dynamik schon gar nicht mehr ins Gewicht, alles ist Verkündigung und Verheißung – die den Zuhörenden tief ins Herz drang.
Wie singt der Bass so  treffend: 
„So recht, Ihr Engel, jauchzt und singet, daß es uns heut so schön gelinget!
Auf denn, wir stimmen mit Euch ein, uns kann es so wie euch, erfreun.“






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